Das Schiff des Bramstedter Abenteurers liegt vor der kleinen Ortschaft Upernavik. NZ-Redakteur Wolfgang Klietz hat mit dem Besatzungsmitglied Martin Varga gesprochen.

Norderstedter Zeitung:

Wie ist das Wetter, und wie war es bislang?

Martin Varga:

Momentan sind die Temperaturen wohl mit etwa minus 20 Grad relativ normal. Wir haben einen stetigen Wind aus nördlicher Richtung und gelegentlich Schneefall.

Allerdings waren die Bedingungen hier noch bis vor einer Woche alles andere als selbstverständlich. Die Auswirkungen des "Global Warming" konnten wir tatsächlich täglich verfolgen. Die Temperaturen waren zwischen plus fünf und minus zwei Grad viel zu mild. Verbunden mit heftigen Stürmen aus südlicher Richtung hatten wir eine recht schwere Zeit hier an Bord der Dagmar Aaen. Tauwetter, offenes Wasser, Sturm und kein Meereis weit und breit.

NZ:

Wo liegt das Schiff vor Anker?

Varga:

Wir liegen in einer kleinen Bucht unweit der Siedlung Upernavik vor Anker. Allerdings befindet sich unser Ankerplatz nicht an der Upernavik-Insel selbst. Wir müssen also mit unserem Beiboot einen Fjord passieren, um in die kleine Ortschaft zu gelangen. Die Bucht hier bietet einen natürlichen Schutz vor heftigem Wind und Wellengang. Die Dagmar Aaen ist mit elf Landleinen und zusätzlich mit zwei Ankern gesichert. Im Moment ist die Eisschicht um uns herum mit etwa zehn Zentimetern noch nicht wirklich dick. Bei weiterer Zunahme kann es in der Bucht zu Eispressungen kommen. Wir gehen davon aus, dass der speziell verstärkte Rumpf der Dagmar diesem Druck standhalten wird. Wir sind also relativ entspannt. Unser Ankerplatz ist gut.

NZ:

Wie sieht ein typischer Tag aus?

Varga:

Aufwachen, aus dem warmen Schlafsack in die Kälte klettern. Ein Generator und die Heizung im Maschinenraum müssen angeschmissen werden. Dann verwöhnen wir uns mit frischem Kaffee, selbst gebackenem Brot oder Müsli. Im Laufe des Tages muss Eis zu Trinkwasser geschmolzen, das Deck von zu viel Schnee befreit, Leitungen überprüft, gekocht, gebacken, gewaschen und geschrubbt werden. Und natürlich müssen wir auch gleich die Dokumentation unseres Alltags übernehmen. Filmen, Fotos schießen, ein Logbuch schreiben. Aber es bleibt auch genug Zeit für persönliche Beschäftigungen. Schnitzen, Leder verarbeiten, hochwertige Messer herstellen, lesen, Briefe schreiben, nachdenken. Und natürlich die sagenhafte Landschaft und die spezielle Atmosphäre Grönlands genießen.

NZ:

Wo kaufen Sie ein?

Varga:

Es gibt einen Supermarkt in Upernavik, allerdings können wir die Ortschaft nicht wirklich oft erreichen. Wir haben reichlich Proviant an Bord und ergänzen die üblichen Mahlzeiten mit frischem Fisch. Den Fisch fangen wir selbst. Dorsche sind zu einem Grundnahrungsmittel geworden. Wir konnten auch schon die einheimische Küche genießen. Rentier, Moschusochse, Robbe, Heilbutt und Narwal. Erst mal sind die Geschmäcker ungewohnt, aber dann doch exzellent.

NZ:

Was tun Sie gegen Langeweile?

Varga:

Langeweile existiert nicht wirklich. Es ist vielmehr ein anderes Zeitempfinden hier, ein anderer Rhythmus. Das Leben läuft langsamer ab. Alles ist vom Wind, Wetter, dem Eis und der Außentemperatur abhängig. Die Natur bestimmt den Alltag. Klar, manche Tage verstreichen ohne besondere Vorkommnisse, andere sind von Sturm oder extremer Kälte geprägt.

Mir persönlich fällt es schwer, auf den Kontakt mit anderen Menschen zu verzichten. Ich genieße die seltenen Tage in Upernavik, den Austausch mit der einheimischen Bevölkerung. Es ist sehr unterhaltsam und ziemlich interessant, die entspannte Lebensweise der Grönländer zu erleben.

NZ:

Wann wird es wieder hell? Schlägt die Dunkelheit aufs Gemüt?

Varga:

Die dunkelste Zeit haben wir schon hinter uns gebracht. Seit dem 21. Dezember werden die Tage wieder länger. Zwar bestimmt die Dunkelheit noch immer unseren Tagesablauf und Lebensrhythmus. Aber schon allein das Wissen, dass die Sonne wieder näher an den Horizont kommt, lässt uns frohen Mutes sein. Insgesamt würde ich behaupten, dass die Dunkelheit uns nicht zu sehr belastet hat. Allerdings war die Kombination aus den überraschenden Wetterbedingungen und der Finsternis schon zeitweise frustrierend.

NZ:

Warum tun Sie sich das an?

Varga:

Ich persönlich werde in meinem Leben wohl nicht so oft die Gelegenheit bekommen, eine Überwinterung auf Grönland zu bestreiten. Also habe ich das Angebot von Arved Fuchs direkt wahrgenommen. Letzten Winter hatte ich das Glück, drei Monate in der Antarktis verbringen zu können. Das Jahr 2009 war somit für mich ein sehr spezielles Jahr nahe den beiden Polen. Diese Reisen und die gewisse Lebenszeit im Eis sind einzigartige Erfahrungen für mich. Ich lerne viel über mich selbst, kann ein Zusammenleben auf engstem Raum und in extremen Situationen erfahren, bekomme einen Eindruck vom Leben der Menschen und Tiere in den polaren Regionen, erfahre hautnah die klimatische Veränderung des arktischen Lebensraumes, habe einen Einblick in die wissenschaftliche Arbeit verschiedener Institutionen und genieße natürlich die unglaublich beeindruckenden Landschaften hier.

NZ:

Haben Sie die Möglichkeit, Kontakt zu Familie oder Freunden zu halten?

Varga:

Die Möglichkeiten mit der Außenwelt im Kontakt zu bleiben sind eher begrenzt. Zwar haben wir eine Telefonverbindung per Satellit und auch ein grönländisches Mobiltelefon an Bord, allerdings lassen sich das Leben und alle Umstände hier nur sehr schwer vermitteln. Es fehlt also nicht unbedingt an der Verbindung, sondern eher an der Vorstellungskraft. Das Leben hier ist mit einem Alltag in Deutschland in keiner Weise zu vergleichen. Das macht die Vermittlung und das Verständnis - auch mit Hilfe der technischen Kommunikationsmittel - eben sehr schwierig. Wir greifen viel auf die altmodische Methode zurück und versenden Briefe und Karten. Von Upernavik aus können wir auch immer mal wieder eine E-Mail versenden.