Harald Hensen berichtet in Norderstedt, wie Musik funktioniert. Es geht weiter mit Beethoven und Co.

Norderstedt. Der Oberstudienrat im Ruhestand blickt seine Schüler an: "Und nun finden sie bitte heraus, wann das zweite Thema beginnt." Die Damen und Herren im fortgeschrittenen Alter nicken mit den Köpfen und lauschen konzentriert auf die Musik, die den Raum erfüllt. Die meisten haben die Augen geschlossen, einige wiegen die Oberkörper. Der erste Satz von Mozarts Violinenkonzert Nummer vier ist kein Selbstgänger, weil die gewohnte mozartsche Freundlichkeit fehlt.

Die Zuhörer im Unterrichtsraum der Yamaha-Musikschule an der Ulzburger Straße 23 in Norderstedt sind allerdings schon geschult: Sie haben etliche Unterrichtseinheiten über die Einführung in die Klassische Musik hinter sich und können ziemlich genau erkennen, wann der Komponist eine Kadenz geschrieben hat. Mozart allerdings hat in seinem Violinkonzert keine Kadenz angeordnet, er gibt den Solisten den Freiraum dafür. Das sind schon Feinheiten, die ein Musiklaie nicht ohne Hilfe erkennen kann.

Harald Hensen (78) ist stolz auf seine Schüler: Er hat ihnen in sechs Unterrichtseinheiten beigebracht, wie Klassische Musik zu hören ist. "Keine Angst vor Beethoven & Co." heißt die Vortragsreihe des pensionierten Lehrers, der damit zumindest in Norderstedt Neuland betritt. In Hamburg hatte er mit seinen Vorträgen schon beträchtlichen Erfolg. Sein Kursus an der Musikschule ist ausgebucht. Seine Schüler wissen längst, was gemeint ist, wenn Harald Hensen erzählt, dass im Mittelsatz des Violinkonzert die Wiederholung der Themendurchführung entfällt.

Trotzdem blicken die meisten ungläubig, als Harald Hensen sie über einen kleinen "schmierigen Trick" des Musikgenies Mozart aufklärt, den er benutzt hat, um eine verschlampte Auftragskomposition doch noch abliefern zu können: Er schrieb ein Oboenkonzert kurzerhand um, ersetzte die Oboen durch Flöten - fertig. Derartige musikhistorische Beigaben machen den musikalischen Unterricht bekömmlich.

"Hat Mozart die Instrumente eigentlich nach den Melodien ausgesucht?", will ein Teilnehmer des Kurses nach dem Anhören des Konzerts für Harfe und Flöte wissen. "Das weiß niemand", antwortet Harald Hensen. "Aber ich vermute, dass Mozart wusste, welche Instrumente er nehmen musste, wenn er eine Melodie hatte." Weil die Kursusteilnehmer so aufmerksam und gut mitmachen, spielt ihnen Harald Hensen zum Abschluss ein besonderes Werk vor - einen "Bonbon", wie er lächelnd mitteilt und damit die Neugierde weckt: Die Fantasie für Klavier, Chor und Orchester in c-Moll op. 80 von Ludwig van Beethoven. "Es wird selten gespielt, aber wenn sie dieses Werk hören, haben sie eigentlich den ganzen Beethoven vor sich", sagt er über diese Vorstudie zum Schlusssatz der neunten Sinfonie. "Weil ich es gerne höre, dachte ich, sie hören es auch gerne." Nach dem letzte Ton nicken seine "Schüler" begeistert.

"Wenn man weiß, was gespielt wird, hat man einfach mehr davon", sagt Kursusteilnehmer Dr. Hans Dilcher (73). Marianne Junge (64) wurde durch ihren Mann in die klassische Musik eingeführt. "Dieser Kursus ist sehr informativ, weil ich viel darüber erfahren habe, wie ein Orchester aufgebaut ist. Noch habe ich aber Schwierigkeiten beim Hören, weil ich mich zu sehr auf die Instrumente konzentriere." Ingo Reichow (73) freut sich, dass er Verständnis für den Aufbau und die Variationen von Musikstücken bekommen hat. "Der Musikgenuss ist größer geworden." Fast alle wollen im Februar wieder dabei sein, wenn Hensen in der Yamaha-Musikschule mit dem zweiten Teil seiner Vortragsreihe "Keine Angst vor Beethoven & Co." beginnt. Anmeldungen: Tel. 040/524 23 01. Es gibt je einen Abend- und einen Vormittagskursus.