Die WHU-Gemeindevertreterin trifft bis zur Wahl eines neuen Bürgermeisters im April alle Entscheidungen.

Henstedt-Ulzburg. Vor einigen Wochen hätte sie an diesen "Karrieresprung" noch nicht einmal im Traum gedacht. Aber jetzt führt an ihr kein Weg vorbei: Annette Marquis ist derzeit die wichtigste Person im Henstedt-Ulzburger Rathaus. Die 47 Jahre alte Diplom-Verwaltungswirtin ist amtierende Bürgermeisterin der größten Gemeinde Schleswig-Holsteins.

Die Lebensplanung von Annette Marquis, Mutter zweier Kinder im Teenager-Alter, sah eigentlich anders aus. Zwar war sie schon mal Fraktionsvorsitzende der Wählergemeinschaft (WHU) und auch stellvertretende Bürgermeisterin, doch in dieser Legislaturperiode rutschte sie erst in die Gemeindevertretung, nachdem ein anderes Ratsmitglied ihrer Fraktion zurückgetreten war. Den Posten als Bürgermeisterstellvertreterin übernahm sie im März 2009, weil Karin Honerlah von diesem Posten abgewählt worden war. Und jetzt diese "steile Karriere": An zwei Tagen in der Woche steht Annette Marquis in einer Postagentur hinter dem Schalter, aber an fünf Tagen in der Woche sitzt sie nachmittags im Rathaus, zusätzlich am Freitagvormittag. Dabei ist sie keine "Frühstücksdirektorin": Anders als früher, als sie und ihre Ratskollegen den Bürgermeister während dessen Urlaubs- oder Krankheitszeit vertraten, führt jetzt kein Weg an ihr vorbei. Nichts kann zurückgehalten oder an ihre vorbei delegiert werden: Annette Marquis trifft die letzte Entscheidung. Punkt. Dabei hat sie auch schon einige Dinge anders entschieden, als Volker Dornquast es eigentlich geplant hatte. Der wollte mehr als vier verkaufsoffene Sonntage in Henstedt-Ulzburg, Annette Marquis aber verfügte vier Sonntage - und setzte sich durch. Die Gemeindevertretung segnete die Vorlage ab. Regelmäßige wöchentliche Sitzungen mit den Fachbereichsleitern halten sie im Bilde über die wichtigsten Vorgänge in der Verwaltung.

Sie selbst hat das Gefühl, in der Verwaltung ernst genommen zu werden. "Ich versuche, ein offenes Arbeitsklima herzustellen, was wiederum die Kreativität vieler Mitarbeiter entwickelt." Die stellvertretende Bürgermeisterin hat Beförderungsurkunden überreicht, ist bei wichtigen Gesprächen dabei, hat bei öffentlichen und internen Anlässen Reden gehalten Und das alles für 36 Euro am Tag.

Natürlich weiß Annette Marquis, dass ihre derzeitige Tätigkeit nicht mit dem Vollzeitjob eines gestaltenden Bürgermeisters gleichzusetzen ist. Aber immerhin muss sie ja auch ihren privaten Haushalt noch organisieren.

Hat die Arbeit als Aushilfsbürgermeisterin, die ja mit der Bürgermeisterwahl am 25. April 2010 noch nicht beendet ist, Appetit auf mehr gemacht? Annette Marquis sitzt nachdenklich hinter ihrem Schreibtisch und bekennt ehrlich, dass die Überlegungen in diese Richtung noch nicht abgeschlossen sind. "Eine Bewerbung und eine mögliche Wahl zur Bürgermeisterin hätte riesige Auswirkungen auf die Familie", sagt sie nachdenklich. Sie ahnt auch, dass ihr Ehemann eher nicht der Typ ist, der sich an ihrer Seite gerne bei öffentlichen Auftritten zeigen würde. "Wir werden sehen", sagt sie diplomatisch.