Der Mann ist psychisch krank und aggressiv. Er braucht angemessene Pflege, sagt Heimleiter Adler. Der Betroffene fühlt sich nicht richtig betreut. Sein erklärtes Ziel ist, den Heimleiter aus dem Amt zu jagen.

Norderstedt. Ernst-Otto Horn will bleiben. Mit aller Macht hält der 83-Jährige an seinem Platz im städtischen Alten- und Pflegeheim "Haus am Park" fest. Und zieht dafür sogar vor Gericht. Gegner ist Heimleiter Jörg Martin Adler, der dem streitbaren Senior gekündigt hat. "Der Mann hat eine hirnorganische Schädigung und muss entsprechend betreut werden. Das können wir hier nicht", beteuert Adler immer wieder in dem kleinen Besprechungsraum im Heim, in dem die Gerichtsverhandlung anberaumt ist.

Die Kontrahenten sitzen sich gegenüber, an ihrer Seite die Anwälte. Am Kopfende bemüht sich Dr. Martina Schall, die komplizierte Materie zu erhellen. Sie ist Richterin am Oberlandesgericht Schleswig-Holstein - der Rechtsstreit hat die höchste Landesinstanz erreicht. Horn wollte sich nicht mit der Entscheidung des Landgerichts abfinden. Das hatte befunden: Die Kündigung ist rechtens. "Die Begründung, das Vertrauensverhältnis zwischen Bewohner und Heimleitung ist zerrüttet, war rechtlich nicht haltbar", sagt Horns Anwalt Stefan Bornhöft und zog vor die nächste Instanz.

Und das muss nicht die letzte sein. Sollte die Richterin die Kündigung nicht bestätigen, wird das Heim wohl vor den Bundesgerichtshof ziehen und eine Entscheidung von bundesweiter Bedeutung herbeiführen: "Es muss grundsätzlich geklärt werden, welche Pflege eine normale Einrichtung, die nicht für spezielle Betreuungsformen wie die von psychisch kranken Menschen ausgelegt ist, leisten kann", sagt Rechtsanwältin Anja Hoffmann, die die städtische Betreuungseinrichtung vertritt und einen solchen Fall noch nicht erlebt hat.

Schnell zeigt sich bei der Verhandlung, worum es geht: "Der Mann muss weg, er taugt nicht als Heimleiter", ruft Ernst-Otto Horn, streckt den Zeigefinger Richtung Adler aus, aus seinen blauen Augen sprüht Hass. Er hat sein Feindbild gefunden. Und das braucht er auch, wie sein Sohn dem Anwalt gesagt hat.

Seit März 2002 lebt der Norderstedter im "Haus im Park", mehrere Schlaganfälle haben ihn in den Rollstuhl gezwungen. Der rechte Arm gehorcht nicht mehr richtig. Nun schreibt Horn mit links, ordentlich aneinander gereihte Druckbuchstaben geben Auskunft, was den früheren Bauingenieur stört: Er komme nicht an die frische Luft, das Essen sei schlecht, wenig Beilagen, und die nicht frisch, mal sei das Duschwasser zu kalt, mal zu heiß, kurz: Die Pflege entspricht nicht seinen Vorstellungen.

Und er macht seinem Ärger Luft: Horn beschimpft das Pflegepersonal, wirft mit Geschirr, kratzt und schlägt um sich. "Mir hat er ein Loch ins Schienbein getreten. Und einige Pflegerinnen haben Hämatome auf den Oberarmen", sagt Adler, der die Vorfälle akribisch dokumentiert hat. "Der Mann hat mich bedroht", kontert der renitente Senior, der für seine Aggressionen nicht zur Verantwortung gezogen werden kann, sagt jedenfalls der gerichtlich bestellte Gutachter Hauke Dreyer.

In solchen Situationen setze bei Horn die Impulssteuerung aus, leide er unter einer paranoid wahnhaften Wahrnehmung, die durch kleinste Ereignisse ausgelöst werden können, die die Pflegekräfte gar nicht wahrnehmen. "Da macht es auch keinen Sinn, mit ihm zu reden. Das macht alles nur noch schlimmer", sagt Dreyer. Am besten rausgehen, und in einer halben Stunden noch mal wiederkommen. Sonst aber sei Horn zurechnungsfähig, von Demenz keine Spur. Er sei gut orientiert, wisse, wo seine Unterlagen sind, was er geschrieben hat, kenne die Namen der Menschen, mit denen er jetzt hier sitzt.

Die Aussagen des Gutachters entschärfen ein Argument der Einrichtung: Nur wenn sich ein Bewohner schuldhaft unangemessen verhalte, sei das ein Kündigungsgrund. Schuldfähig sei Horn in diesen Situationen aber nicht. "Wir haben wirklich alles versucht, kommen aber nicht an ihn heran. Er lehnt die Behandlung genauso wie Medikamente ab, die ihn beruhigen und die Lage entspannen würden", sagt Adler. Die Folge: Sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert. "Die wollen mich doch nur in die Klapsmühle bringen", sagt Horn, der so lange bleiben will, bis der "verhasste Heimleiter weg ist", und er seinen persönlichen Kampf gewonnen hat.

"Ich kann nicht feststellen, dass Herr Horn in einem schlechten Zustand ist", sagt Richterin Schall. Sie fordert vom Heim Nachweise für die Behauptung. Präzisiert werden müsse auch die Aussage, es gebe andere Einrichtungen, die den Patienten aufnehmen würden. "Eine Liste reicht nicht. Es ist doch die Frage, welches Heim einen Patienten mit der Vorgeschichte aufnimmt", sagte die Richterin. Das könne erst geklärt werden, wenn ein Wechsel tatsächlich ansteht, sagte Anwältin Hoffmann. Sie habe mit vielen Heimen telefoniert, pauschale Auskünfte würden nicht gegeben. Die Heimleitung wolle sich ein Bild vom künftigen Bewohner machen. "Wir halten es ohnehin für angebracht, dass Herr Horn in einer gerontopsychiatrischen Einrichtung betreut wird", sagt Anja Hoffmann. Das "Haus im Park" müsse laut Heimvertrag nur eine Grundversorgung leisten und sei finanziell und personell entsprechend ausgestattet. Horn binde viel mehr Personal als ihm zustehe.

Zwar habe Gutachter Dreyer ausgeführt, dass das städtische Alten- und Pflegeheim die nötige Pflege leisten könne. "Er ist Nervenarzt und kein Fachmann für Heimpflege", sagt die Anwältin. Sie will nun einen Fachgutachter einschalten, der nachweist, dass Horn im "Haus im Park" nicht angemessen gepflegt werden kann. "Es geht uns nicht darum, einen unbequemen Bewohner loszuwerden, sondern darum, dass Herr Horn optimal betreut wird", sagt Adler. Die Verhandlung wurde auf Anfang Februar vertagt.