Schon früh wollte der Norderstedter in den roten Mantel schlüpfen. Ihm macht es viel Spaß, anderen am Heiligabend eine Freude zu machen. Ohne Rute, denn Angst will er bei den Kindern nicht verbreiten.

Norderstedt. Er ist Profi. Nicht so ein Weihnachtsmann von nebenan und auch nicht Onkel Klaus, der schnell ins Kostüm gesprungen ist und sich einen weißen Wattebart ans Kinn geklebt hat. "Wenn die Kinder an meinem Bart ziehen, bleibt er dran", sagt Ingo Schikschneit. Der Norderstedter ist Weihnachtsmann aus Leidenschaft. Und da legt er Wert auf detailgetreue Garderobe. Ab Sommer lässt er seine Barthaare wachsen, ergänzt wird das grau-weiße "Gestrüpp" durch Büffelhaar, eigens von einer Maskenbildnerin angefertigt.

Die polnischen Tanzstiefel sind Filzschäftern gewichen. "Zu denen kam ich wie die Kinder zu ihren Weihnachtsgeschenken", erinnert sich der 54-Jährige. Er wartete auf den Bus, und als er seine Kostümtasche vom Sitz nahm, standen die Stiefel da. Der rote Mantel ist maßgeschneidert, und allein die weißen Lederhandschuhe kosten 90 Euro pro Paar. Die trägt er, seitdem ein Kollege enttarnt wurde, weil er so junge Hände hatte.

Eine Rute hat er nicht. "Ich will die Kinder nicht bestrafen, ihnen keine Angst vor dem Weihnachtsmann einjagen", sagt Schikschneit, dem es wichtig ist, das "Angst-Phänomen" zu vertreiben. Oft muss er erzieherisch wirken, den Kindern einschärfen, was die Eltern nicht schaffen. So wie bei dem Ehepaar, das sich wünschte, ihr fünfjähriger Sohn möchte durchschlafen. Schikschneit stellte dem Jungen folgende Aufgabe: "Wenn du aufwachst, zählst du eins, drehst dich um und schläfst wieder ein. In der nächsten Nacht genauso. Wenn du bei drei bist, darfst du zu deinen Eltern ins Bett." Der Junge willigte ein, und die Eltern wiesen darauf hin, dass Versprechen, die man dem Weihnachtsmann gibt, noch wichtiger sind als Pfadfinder- oder Indianer-Ehrenworte. Der Trick klappte.

Bei seiner pädagogischen Arbeit neben dem Tannenbaum hilft ihm sein Beruf: Er ist gelernter Erzieher und wollte schon als junger Mann in die Rolle als weihnachtlicher Saisonarbeiter schlüpfen, aber: "Mit 20 oder 30 war ich einfach noch zu schlaksig." So verschob er den Einstieg in den Nebenjob, zu dem ihm dann der Zufall verhalf: Schikschneit war arbeitslos, der Vermittler im Arbeitsamt bot ihm an, Gabenbote zu werden. Er schlug ein und gilt seitdem als Vorzeige-Weihnachtsmann.

Schon äußerlich erfüllt er mit 100 Kilo, die sich auf 1,80 Meter Höhe verteilen, das Klischee. "Ich habe die Gabe, Menschen in meinen Bann zu ziehen", sagt der geschiedene Vater zweier Söhne. Und wer ihn erlebt, spürt seine enorme Emotionalität: Wenn Schikschneit von der siebenjährigen Lucie erzählt, die ein selbst geschriebenes Gedicht aufsagte. "Ich war so gerührt, dass ich sie fragte, ob ich die Verse weitergeben darf", sagt der Norderstedter - und kämpft mit den Tränen. Wenig später schrieb ihm die Mutter, er habe damit Lucie sehr glücklich gemacht, sie wolle Schriftstellerin werden.

Lange begleitet hat er Murat. Als er zehn war, wollte Schikschneit wieder die Geschenke im Haus der türkischen Familie verteilen. Doch der Opa war gestorben, der Weihnachtsmann verzichtet auf den traditionellen Besuch, kam am ersten Weihnachtstag zum Kaffee und erzählte vom Opa im Himmel. "Manchmal brauche ich auch Beharrlichkeit, bis der Funke überspringt", sagt der Darsteller. So wie bei der Anwaltskanzlei in Finkenwerder. "Die Stimmung war so steif wie die Deko, und welche meiner Geschichten aus dem Goldenen Buch ich auch vortrug - die Pokergesichter blieben wie bei der schwierigsten Gerichtsverhandlung. Als ich dann gehen wollte, gab es stürmischen Beifall, und die Gesellschaft forderte Zugabe", erinnert sich Schikschneit.

Wie im falschen Film kam er sich hingegen vor, als er eine Noch-Familie in Hamburg besuchte. Als er sein Auto abstellte, drückte ein Mann ihm ein zusätzliches Geschenk in die Hand. In der Wohnung saßen die Eltern, die sich trennen wollten, und zwei Kinder. Er verteilte die Geschenke, auf dem letzten stand "für Mausi" - eine Aufmerksamkeit des neuen Liebhabers der Mutter. "Ich wäre am liebsten unsichtbar geworden", sagt der Weihnachtsmann auf Zeit.

12 bis 16 Familien besucht er aus seiner Heiligabend-Runde. Bei jeder bleibt er rund 20 Minuten, dafür kassiert er 42 Euro. "Beim Honorar darf man aber die Vorbereitung nicht vergessen", sagt Schikschneit. Und die betreibt er intensiv. Er fährt vorher die Strecke ab, schickt einen Fragebogen an die Eltern und klärt in einem ausführlichen Telefonat, wie der Besuch ablaufen soll.

Wer den Weihnachtsmann buchen will, meldet sich bei Schikschneit unter Tel. 040/18 11 07 87.