Rechtsberater hat Zweifel, dass die Preiserhöhungen angemessen sind. Stadtwerke sehen sich im Recht.

Norderstedt. Die Stadtwerke Norderstedt fordern die "Gas-Rebellen" in einem Schreiben auf, ausstehende Beträge zu zahlen. Kommen die Betroffenen ihrer Zahlungspflicht nicht nach, wollen die Werke das Geld gerichtlich eintreiben. Der örtliche Gasversorger bezieht sich auf mehrere Urteile des Bundesgerichtshof, der zuletzt am 8. Juli 2009 (Az: VIII ZR 314/07) zur Frage, ob Gaspreiserhöhungen angemessen sind, Stellung genommen hat. "Daraus ergibt sich, dass Erhöhungen dann dem Gebot der Billigkeit entsprechen und nicht zu beanstanden sind, wenn der Versorger die Preiserhöhungen des Vorlieferanten weitergibt und sie nicht durch andere Einsparungen auffangen kann. Und genau das haben wir getan", sagt Jens Seedorff, Leiter der Stadtwerke Norderstedt.

Die örtliche Verbraucherzentrale ist empört: "Der lokale Gasversorger nimmt sich offenbar ein schlechtes Beispiel an E.on Hanse. Der Energiekonzern verklagt zurzeit in ganz Norddeutschland Hunderte von Kunden, wohl wissend, dass die meisten Klagen keine Aussicht auf Erfolg haben", sagt Arne Timmermann, Rechtsanwalt der Verbraucherzentrale, der Betroffene zum Widerstand auffordert.

Nachdem die Stadtwerke die Zahlungs-Aufforderungen Ende November verschickt hatten, hätten schon 40 Betroffene um Rat gebeten. Und der fällt eindeutig aus: "Nicht sofort zahlen und sich nicht einschüchtern, sondern auf jeden Fall erst beraten lassen", rät Timmermann. Selbst wenn die Zahlungsfrist (11. Dezember) verstreicht, habe das keine ernsthaften Folgen. Bei einem Streit vor Gericht hätten die Widerspruchskunden gute Aussichten auf Erfolg. Timmermann nennt folgende Argumente:

* Das BGH-Urteil vom 8. Juli gelte nicht für Kunden mit Sonderverträgen. "Und die Mehrzahl derjenigen, die jetzt zahlen sollen, hat solche Verträge", sagt Timmermann. Außerdem hätten viele in ihren Verträgen unwirksame Preisanpassungsklauseln, sodass sie zu Recht gegen die Preiserhöhungen vorgegangen seien. "Den Stadtwerken geht es offenbar nicht um die Sache, sondern darum, die Kunden einzuschüchtern", sagt Timmermann.

* Das Gutachten der Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "Wibera", mit dem die Stadtwerke die Billigkeit nachgewiesen haben, reiche nicht. "Solange hier nur pauschal die Angemessenheit bestätigt wird und die Zahlen nicht auf den Tisch kommen, handelt es sich um ein reines Privat-Gutachten ohne rechtliche Verbindlichkeit", sagt der Rechtsanwalt.

* Die Beträge, die die Kunden nachzahlen sollen, könnten sich die meisten nicht erklären. Sie würden in den Schreiben nicht erläutert. Außerdem sei fraglich, ob die Stadtwerke schon Geld für die Prozesskosten bereitgestellt haben. Allein für die erste Instanz vor dem Amtsgericht rechnet Timmermann mit 750 Euro pro Klage.

"Ich kann durchaus verstehen, dass sich die Betroffenen rechtlichen Rat holen. Auf der anderen Seite sind wir als kommunales Unternehmen verpflichtet, das Geld einzutreiben", sagt Seedorff. Verzichten die Werke darauf, sei das unfair gegenüber denen, die die Preiserhöhungen der letzten Jahre widerspruchslos bezahlt haben. 72 Kunden hätten die Schreiben erhalten, davon hätten nur sieben Sonderverträge. Die Zahlungsaufforderungen hätten jetzt verschickt werden müssen, damit sie nicht verjähren. Der Werkleiter interpretiert das BGH-Urteil vom 8. Juli im Unterschied zur Verbraucherzentrale so, dass es auch für Sondervertragskunden gilt. Seedorff hofft auf eine gütliche Einigung, will aber notfalls vor Gericht gehen.

Wer sich bei der Verbraucherzentrale beraten lassen will, muss unter Tel. 040/523 84 55 einen Termin absprechen. Informationen gibt es auch im Internet unter www.verbraucherzentrale-sh.de .