Handys brachten die Polizei auf die Spur der brutalen Täter. Die Beamten hatten insgesamt 400 000 Daten von Funktelefonen akribisch ausgewertet.

Groß Rönnau. Sie hatten ihre Opfer ausgespäht, hatten ihnen zu dritt aufgelauert, sie im Dunkeln in ihren eigenen Häuser brutal überfallen. Sie waren mit schwarzen Sturmhauben maskiert, richteten eine Waffe mit 23 Zentimeter langem Schalldämpfer auf die Opfer, fesselten sie, klebten ihnen den Mund zu, raubten sie aus. Allein in dem Groß Rönnauer Anwesen von Marlies Borchert, Chefin der Segeberger Kliniken, erbeuteten die drei Räuber an diesem kalten, ungemütlichen Abend des 17. Februar aus einem Safe Schmuck im Wert von 175 000 Euro. Ein Collier, Uhren, Ketten, Ringe, Zuchtperlen, Diamanten, einen Jugendstilanhänger - Stücke auch von ideellem Wert, Erinnerungen in Gold.

Später versetzten sie die Beute für gerade einmal 22 000 Euro. Bei dem Stockelsdorfer Juweliersehepaar P., das die Täter eine Woche zuvor ebenso brutal überfallen hatten, mussten sie mit lediglich 2000 Euro flüchten - die Alarmanlage hatte ausgelöst. Größer als jeder finanzielle Schaden sei aber das Leiden der Opfer, die sich den Tätern wehrlos gegenüber sahen: "Frau Borchert hatte Todesangst. Sie hat nach dem Überfall monatelang im Hotel gewohnt und seitdem nie wieder alleine in ihrem Haus genächtigt", betonte Staatsanwalt Klaus Wiethaus in seinem Plädoyer. Die Stockelsdorfer Juweliersgattin P. sei bis heute auf Beruhigungsmittel angewiesen, habe lange unter Schlaflosigkeit gelitten. Mildernd seien für die Verurteilten einzig und allein ihre frühen Geständnisse gewesen.

Auf der Anklagebank saßen seit dem 21. Oktober der Ahrensböker Heinz L. (50) und der Rumäne Sorin O. Wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen werden sich dort demnächst auch noch Benjamin M. und Florin L. verantworten müssen. Die beiden sitzen aber derzeit noch in Wien wegen anderer Delikte in Untersuchungshaft, der Auslieferungsantrag ist bereits bewilligt. Der 27-jährige Sorin O., der in seiner Heimat bereits wegen Diebstahls mehr als ein Jahr im Gefängnis saß, soll beim Überfall auf Marlies Borchert die Waffe getragen haben, die Heinz L. in Hamburg besorgt hatte. Dass sie während der Überfälle scharf gewesen sei, hatte der Ahrensböker bestritten.

"Wir sind aber sicher, dass sie geladen war", sagte Richterin Helga von Lukowicz in der Urteilsbegründung - L. habe auch bei früheren Taten geladene Waffen benutzt. Obwohl Heinz L. in seinem Geständnis betont hatte, er sei bei den Taten lediglich der Fahrer gewesen und habe die Beute versetzt, sah das Gericht ihn als Drahtzieher der Überfälle. Auch wenn andere sie später umsetzten: Er habe die Taten initiiert und organisiert. Der Ahrensböker ist alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Wenn Heinz L. in ein bisschen mehr als neun Jahren aus der Haft entlassen wird, hat der heute 50-Jährige beinahe sein halbes Leben im Gefängnis gesessen.

Raubdelikte, Brandstiftung, Bedrohung: 1983 wanderte er in Koblenz zum ersten Mal ins Gefängnis. Erst 15 Jahre später kam er wieder auf freien Fuß. Dass Heinz L. nur ein Mitläufer gewesen sein will, das glaubte auch Gutachter Dr. Walter Kanzow nicht: "Der Angeklagte ist immer ein Anführer gewesen", sagte er vor Gericht. Er sei zwar mehr als zehn Jahre nicht auffällig geworden, sei in dieser Zeit beruflich erfolgreich als Vertreter gewesen. Doch nach dem wirtschaftlichen Aus habe er versucht, "durch Straftaten sein Glück zu erzwingen". Heinz L. nahm das Urteil denn auch wenig überrascht auf, kündigte noch im Gerichtssaal an, auf Rechtsmittel zu verzichten. Außerdem wolle er sich "aufrichtig bei den Opfern entschuldigen". Auch Sorin O. ergriff das Wort: Ihm tue alles wirklich leid.

Eine für L. in Betracht gezogene Sicherheitsverwahrung nach der Haft ließ das Gericht fallen - wegen einer positiven Prognose des Gutachters. Den Tätern auf die Spur gekommen war die Polizei über ihre Handys. Weil sich die Taten in Stockelsdorf und Groß Rönnau sehr ähnelten, hatten die Beamten insgesamt 400 000 Funktelefondaten ausgewertet. Dann der Treffer: Vier Rufnummern waren sowohl am 9. Februar in Stockelsdorf und am 17. Februar in Groß Rönnau im Funknetz eingeloggt. Die Telefone wurden abgehört. Als eine weitere Tat in Hamburg geplant war, griff die Polizei zu. Heinz L. und Sorin O. wurden Ende April festgenommen.