Wegen räuberischer Erpressung sitzen Ibrahim K. und Abdul M. auf der Anklagebank. Das Opfer wollte die Tat aus Angst nicht anzeigen.

Norderstedt/Kaltenkirchen. Marcel W. (25) und Nikolaos P. (21) sind in ihrem 7er-BMW auf dem Rückweg von einem vergnüglichen Abend in Hamburg auf dem Kiez, als ein Bekannter sie über Handy anruft und zu einem Parkplatz an der Autobahn 7 bestellt. Sie wollen etwas besprechen.

Auf dem Parkplatz nahe dem Möbel- und Modehaus Dodenhof bei Kaltenkirchen treffen die jungen Männer die beiden Libanesen Ibrahim K. (28) und Abdul M. (26). Zwischen Ibrahim K. und Marcel W. kommt es zum Streit: Ibrahim K. wirft Marcel W. vor, mit der Ehefrau seines in Haft sitzenden Freundes Ferhat Y. (23) ein Verhältnis zu haben. Er schlägt dem verängstigten Marcel W. mehrfach ins Gesicht und zwingt ihn, die Schlüssel des BMW herauszugeben. Anschließend brausen die beiden Libanesen mit dem Wagen davon. Wenige Tage später verkaufen die Männer den Pkw unter Vorlage falscher Papiere, in denen sich Abdul M. als Eigentümer des Fahrzeugs ausgibt, an einen türkischen Autohändler in Hamburg.

Wegen räuberischer Erpressung saßen Ibrahim K. aus Lentföhrden und Abdul M. aus Kaltenkirchen jetzt auf der Anklagebank des Amtsgerichts in Norderstedt. Ibrahim K. wird von zwei Polizisten hereingeführt, weil er wegen einer anderen Sache in Hamburg inhaftiert ist. Auch gegen Abdul W. gibt es einen Haftbefehl wegen gewerbsmäßigen Betruges, er ist aber zurzeit auf freiem Fuß.

Ibrahim K. schweigt zu den Tatvorwürfen, während Abdul M. in einer durch seinen Anwalt verlesenen Erklärung zugibt, den Wagen unter falschem Namen verkauft zu haben. Der Angeklagte behauptet, das Fahrzeug gehöre Ibrahim K., Marcel W. habe das Auto für K. besorgt und unbefugt behalten.

Richter Reinhard Leendertz und die beiden Schöffen haben die schwierige Aufgabe, diesen verworrenen Sachverhalt aufzuklären. Dabei erweist sich die Vernehmung mehrerer Zeugen als wenig hilfreich, denn die Zeugen haben angeblich wenig Erinnerungen oder verharmlosen das Geschehen, wie Nikolaos P.: Er war bei den nächtlichen Vorfällen auf dem Parkplatz dabei und behauptet, er habe die Drohungen des Ibrahim K. nicht ernst genommen. Bei der Polizei hatte er den Streit noch anders geschildert und von massiven Schlägen berichtet, mit denen Ibrahim K. Marcel W. gefügig gemacht haben soll.

Abdul M. soll mehrmals gesagt haben: "Fahr los, der will euch umbringen." Nikolaos P. soll mit der Drohung: "Misch dich bloß nicht ein, sonst kriegst du großen Ärger!" eingeschüchtert worden sein. Marcel W. ist gar nicht erst zum Termin erschienen, er wollte die Tat aus Angst vor Ibrahim K. nicht anzeigen.

Die Ermittlungen waren in Gang gekommen, als die Kfz-Zulassungsstelle nach dem Weiterverkauf des Pkw feststellte, dass dieser als gestohlen gemeldet war.

Dass der hochgewachsene Angeklagte Ibrahim K. mit dem kahl rasierten Kopf Marcel W. auf brutale Art zur Herausgabe des Autos zwang, steht fest, nicht jedoch wem der Wagen tatsächlich gehörte. Wenn der Angeklagte Marcel W. seinen eigenen Wagen wegnahm, würde von der räuberischen Erpressung nur eine Nötigung übrig bleiben.

Amtsrichter Reinhard Leendertz setzte einen weiteren Termin an, zu dem er die Vorführung des Zeugen Marcel W. anordnete.