Der Norderstedter wollte eigentlich Fotos von der bekanntesten DDR-Band für deren neues Cover machen. Doch dann kam alles anders...

Norderstedt/Berlin. Heute vor 20 Jahren wurde die Berliner Mauer geöffnet, die ganze Welt blickte ungläubig auf Berlin und die deutsch-deutsche Grenze. Viele Menschen erinnern sich, wie es damals war, was sie an diesem Tag gemacht haben. Der Norderstedter Fotograf Peter Thomsen und der Filmemacher, Buchautor und Vortragsreferent Henno Drecoll haben ganz spezielle Erinnerungen an diesen Tag, der von persönlichen Erlebnissen geprägt war.

Peter Thomsen (61) hatte damals einen Auftrag in Ostberlin zu erledigen. In den bekannten Amiga-Studios an der Brunnenstraße sollte er die Aufnahme-Session der DDR-Rockgruppe Karat mit seinen Kameras begleiten, damit diese Fotos auf dem von ihm gestalteten Plattencover erscheinen konnten. Karat war damals neben den Puhdys die angesagteste DDR-Rockband. Ihr Superhit "Über sieben Brücken musst du geh'n", von Peter Maffay anschließend gecovert und noch einmal zum Hit gemacht, ist bis heute ein zeitloses Dokument anspruchsvoller DDR-Musik. Karat, Produzent Burkhard Brozat, die Tontechniker und Peter Thomsen, der mit dem Flugzeug in Westberlin gelandet und mit dem Taxi nach Ostberlin gebracht worden war, machten sich an die Arbeit, als nur wenige Hundert Meter weiter das Weltgefüge zusammenbrach. "Die Aufnahmen mussten immer wieder unterbrochen werden, weil im Studio ein Fernsehgerät aufgestellt war", erinnert sich Peter Thomsen. "Alle Beteiligten blickten immer wieder ungläubig auf das, was dort gesendet wurde."

Die Ereignisse an der Berliner Mauer machten alle sprachlos. Karat-Urgestein Herbert Dreilich und seine Bandkollegen waren damals privilegierte DDR-Bürger, die sich auch im Westen tummeln durften. "Sie hatten alle Freiheiten, aber in diesen Momenten wussten sie nicht, ob sie lachen oder weinen sollten", sagt Peter Thomsen, der damals viele Coverfotos für prominente nationale und internationale Künstler machte. "Sie konnten kaum glauben, was dort passierte." Er selbst hätte eigentlich abends wieder zurück gemusst, blieb dann aber doch drei Tage in Ostberlin und lernte in dieser Zeit auch die Privatwohnungen der Karat-Musiker kennen. In diesen Tagen machte Peter Thomsen Fotos von Karat in der Nähe der Berliner Mauer. Heute erinnert ihn die LP ". . . im nächsten Frieden", erschienen 1990, an die Zeit der Grenzöffnung.

Weltenbummler Henno Drecoll (47), der heute mit seiner Familie in Stuvenborn lebt, konnte am 9. November 1989 seine Eltern in die Arme schließen. Sie waren mit ihrem Lada von Rostock angereist und bei Schlutup über die Grenze gefahren. Henno Drecoll war dabei, als die Trabis, Wartburgs und Ladas anrollten, seine Eltern aber konnte er erst abends in seiner Henstedt-Ulzburger Wohnung begrüßten - er hatte nichts von ihrer Anreise geahnt.

Der gebürtige Rostocker selbst war 1983 auf abenteuerliche Weise von Ost nach West geflüchtet, hatte seine Eltern aber in der Zwischenzeit drei Mal in der Tschechoslowakei getroffen. Am 13. Juli 1983 schwamm Henno Drecoll gegen 16 Uhr zu einem westdeutschen Frachter und tauchte jedes Mal ab, wenn Grenzposten vom Schiff aus in das Becken des Rostocker Überseehafens blickten. Anschließend versteckte ihn ein westdeutscher Schiffsoffizier unter hohem Risiko in der mit Wasser gefüllten Bilge. Erst nach vier Stunden kam er aus dem kalten Versteck heraus, die DDR-Hoheitsgewässer hatte das Schiff zu diesem Zeitpunkt schon verlassen. Seine Familie wusste nichts von der Flucht, sodass alle Verhöre zwangsläufig erfolglos blieben. Heute empfindet es Henno Drecoll als merkwürdig, dass die Worte "Ossi" und "Wessi" nach 20 Jahren immer noch gegenwärtig sind.

Mit seiner aus Hamburg stammenden Frau Katrin (46) hat Henno Drecoll inzwischen die Welt bereist und ist vor allem ein anerkannter Australien-Kenner geworden. Ihre Erfindung, die "Formengrills", haben Furore gemacht. Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls haben die Drecolls einen Grill mit den Umrissen West- und Ostdeutschlands entworfen, den sie in den nächsten Monaten mit den Unterschriften prominenter Zeitgenossen aus Kunst und Politik schmücken wollen. Rechtzeitig zum 20. Jahrestag der deutschen Wiedervereinigung (3. Oktober 2010) soll der Grill dann zugunsten eines Kinderhilfswerks versteigert werden.