Der Kaltenkirchener Geistliche war bereits vor seiner Amtseinführung Mitglied der NSDAP. Als Leiter des Einsatzkommandos 6 in Rostow in der Ukraine befahl er die Vernichtung von Tausenden von Menschen.

Kaltenkirchen. Ernst Szymanowski trat 1926 in die NSDAP ein - ein Jahr später wurde er im Alter von 28 Jahren zum Pastor der evangelischen Michaeliskirche in Kaltenkirchen geweiht. Im Oktober 1933 wurde der NSDAP-Mann aus Kaltenkirchen sogar zum Propst von Neumünster berufen. Unter seinem Talar trug er die SA-Uniform. Szymanowski übernahm zahlreiche Ämter in Hitlers Partei und in der SA.

1936 wollte er sich ganz seiner braunen Karriere widmen und quittierte deshalb den Kirchendienst. Der evangelische Pastor trat dem SD, dem Sicherheitsdienst der SS, bei. Weil ihm sein Name Szymanowski zu slawisch erschien, nannte er sich ab 1941 Biberstein. Er wurde Leiter der Gestapo in Oppeln (Nähe Auschwitz) im Südwesten Polens und ordnete die Deportation von Juden an. 1942 wurde Szymanowski-Biberstein zum Leiter des Einsatzkommandos 6 in Rostow in der Ukraine ernannt. Dort befahl er bis 1943 die Ermordung von mindestens 3000 Juden.

Dieser tausendfache Mord hinderte die evangelische Landeskirche Schleswig-Holstein nicht, für den im Nürnberger Prozess zum Tode verurteilten ehemaligen Kaltenkirchener Pastor die Begnadigung zu beantragen. Die Landeskirche hatte Erfolg und gab Szymanowski nach seiner Freilassung eine Stellung in der Kirchenkreisverwaltung Neumünster. Der Judenmörder fand wieder Aufnahme im Haus der evangelischen Kirche. Er starb 1986 in Neumünster.

Über diesen Vorgang legte der Alvesloher Historiker Gerhard Hoch (86) jetzt das Buch "Ernst Szymanowski-Biberstein - Die Spuren eines Kaltenkirchener Pastors - Gedanken zu einem in Deutschland einmaligen Fall" vor. In einem Festakt in der Michaeliskirche Kaltenkirchen wurde es vorgestellt.

Buch-Autor Hoch ist über den Judenmörder Szymanowski zum vehementen Aufarbeiter der NS-Vergangenheit Kaltenkirchens und des Kreises Segeberg geworden. Denn er war selbst von der Idee der Herrenrasse fasziniert. "Ich war überzeugter Nazi", sagte Hoch im Juni 2005 in einem Gespräch mit der NZ. Im April 2008 gestand Hoch seine Mitgliedschaft in der NSDAP.

Von Szymanowski erfuhr Hoch, als er in England interniert war. "Ich sah in einer Zeitung das Bild des Neumünsteraner Propstes und Kaltenkirchener Pastors Ernst Szymanowski und erfuhr, dass er des Massenmordes an Juden angeklagt war. Das war für mich ungeheuerlich", so Hoch.

Die Nazi-Karriere des ehemaligen Kaltenkirchener Seelsorgers war beispielhaft für das NS-Regime und ebenso beispielhaft seine Rehabilitation in den 50er-Jahren. 1945 wurde Szymanowski-Biberstein in Neumünster verhaftet, 1948 im Einsatzgruppen-Prozess in Nürnberg vom US-Militärgerichtshof zum Tode verurteilt. Wenig später wurde das Urteil in lebenslänglich abgemildert. Auf Antrag der schleswig-holsteinischen Landeskirche wurde der Massenmörder, der vor dem US-Militärgericht aussagte, dass es sich bei den von ihm zum Tode Verurteilten nur "um Saboteure, Berufsverbrecher, Terroristen" gehandelt habe (Buch Seite 49) und der die Juden durch Erschießen und Gas im Spezialwagen ermorden ließ (Seite 54), begnadigt und 1957 wieder in den Kirchendienst aufgenommen.

Hochs Berichte über Szymanowskis Verhalten auf der Anklagebank bei den Nürnberger Prozessen sind erschütternd. Erst vor Jahren stellte sich die Landeskirche mit einer Wanderausstellung durch die Kirchen ihrer NS-Vergangenheit. ("Kirche - Christen - Juden: Eine Chronik gemischter Gefühle in Nordelbien 1933 bis 1945", Edition Temmen.

"Ernst Szymanowski-Biberstein - Die Spuren eines Kaltenkirchener Pastors - Gedanken zu einem in Deutschland einmaligen Fall" von Gerhard Hoch ist im Wachholtz-Verlag Neumünster erschienen: 96 Seiten, zwölf Euro im Buchhandel.