Bis heute hat das Opfer die Vorfälle trotz Therapien nicht verarbeitet. Richter: “Die Tat des Angeklagten sei nicht zu entschuldigen.“

Bad Segeberg. Vor einem Jahr stand der Techniker Stefan K. (45) schon vor dem Jugendschöffengericht in Bad Segeberg, weil er im Jahr 2000 seine damals neun Jahre alte Stieftochter Anne* in Heidmühlen mehrfach vergewaltigt haben soll. Die Anklage basierte auf der Aussage des Mädchens, das ihn im Jahr 2006 angezeigt hatte.

Da während des Prozesses Zweifel am Wahrheitsgehalt von Annes Aussage aufkamen und Stefan K. zwar einräumte, seine Stieftochter unsittlich berührt zu haben, eine Vergewaltigung aber abstritt, setzte Jugendrichter Wolfgang Niehaus den Prozess aus. Mit Einverständnis der heute 17-jährigen Anne wurde ein Glaubwürdigkeitsgutachten durch einen Rechtspsychologen eingeholt, das ergab, dass Annes Aussagen teilweise widersprüchlich und wenig konkret waren. Auch gab es große Erinnerungslücken. Das Verfahren wegen Vergewaltigung wurde daraufhin eingestellt.

Übrig blieb eine Anklage wegen sexuellen Missbrauchs, der sich der Angeklagte jetzt vor dem Schöffengericht in Bad Segeberg stellen musste. Stefan K. gab zu, im November 2000, als seine damalige Ehefrau, Annes Mutter, im Krankenhaus war, Anne bei einem gemeinsamen Wannenbad an sich gezogen zu haben, wobei er sexuell erregt war. Ein anderes Mal kam er aus der Dusche, als er das Mädchen weinen hörte. Er ging in ihr Zimmer und zog sie an sich, wobei er ebenfalls erregt war. Beim Kuscheln im Ehebett rieb er sein erigiertes Geschlechtsteil an Annes Rücken und streichelte durch ihren Slip ihre Scheide. Anne habe das alles schweigend hingenommen.

Der Angeklagte erklärt seine damalige Situation: Annes Mutter habe den ganzen Tag vor dem PC gesessen und getrunken. Er habe zwei Jobs gehabt und sich daneben um Haus, Garten sowie um Anne und ihren Bruder kümmern müssen. Ende 2000 zog der Angeklagte aus dem gemeinsamen Haus aus. Anne und ihr Bruder wurden bald danach ihrer Mutter weggenommen und kamen in Pflegefamilien.

Anne hatte sich dann irgendwann ihrer Cousine in einem Brief anvertraut und ihr von sexuellen Übergriffen ihres Stiefvaters berichtet, auf Nachfragen hatte sie ebenso wie auf die Fragen der Polizei angegeben, dass es auch mehrfach zu Vergewaltigungen gekommen sei.

Unfassbar, dass Annes Mutter und sogar das Jugendamt schon im Jahr 2003 Kenntnis von dem Missbrauch gehabt haben sollen, eine Anzeige und entsprechende Ermittlungen aber erst 2006 erfolgten.

Anne wird im Prozess durch einen Anwalt als Nebenkläger vertreten, das Geständnis ihres Stiefvaters ersparte ihr eine gerichtliche Aussage. Bis heute hat das Mädchen die Vorfälle trotz Therapien nicht verarbeitet.

Der Angeklagte entschuldigt sich im Prozess und versucht, sich zu rechtfertigen. Er habe als Kind wenig Liebe erhalten, habe in der schweren Zeit damals ein starkes Kuschelbedürfnis gehabt. Diese Äußerungen wertet der Nebenklägervertreter als Anzeichen dafür, dass Stefan K. überhaupt nicht verstanden habe, was er Anne angetan hat. Verhandelt werde hier ohnehin nur "die Spitze des Eisberges".

Der bisher nicht vorbestrafte Stefan K. wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt. Die Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Er muss außerdem 1300 Euro an seine Stieftochter zahlen, womit der Schaden, den er an der Kinderseele angerichtet habe, keineswegs wieder gut zu machen sei, betont der Richter in der Urteilsbegründung. Was der Angeklagte getan habe, sei nicht zu entschuldigen.*Name wurde von derRedaktion geändert.