Dem Amateurtheater Pur gelingt mit dem Tolstoi-Stück ein großer Wurf.

Norderstedt. Welturaufführung in Norderstedt! Mit Gänsehaut-Effekt! Mit dem Stück "Die Familie des Vampirs" von Graf Alexej Konstantinowitsch Tolstoi hat das Amateurtheater Pur im Theatersaal am Schulzentrum Süd einen doppelten Hit gelandet. Einmal hat das Schauspiel-Team um Regisseurin Mareike Jonas das bislang ungespielte Stück des Cousins von Leo Tolstoi mit einer klugen Inszenierung spielbar gemacht. Zum zweiten haben sie einen 90-minütigen, pausenlos spannenden Grusel-Klassiker gelandet.

Alle Schauspieler um Erzähler Michael Scharbert ziehen die Spannung in dem Stück sukzessive hoch. Die Bühnenatmosphäre mit dem dunklen Holzhaus (Bühnenbild Pur-Team) ist bedrohlich, die Akteure in ihrer geduckten Halten und gedrückten Stimmung lassen Unheil ahnen. Das Hervorragende: Diese beunruhigende Stimmung wird nicht nur gehalten, was für viele Amateure schon schwer genug ist, sie wird stetig gesteigert. Eben bis zur Gänsehaut beim Publikum im voll besetzten Theatersaal.

Michael Scharbert hält das Spiel als erzählender Marquis Serge d'Urfé zusammen. Es gelingt ihm, seine Erlebnisse in den fernen Bergen Serbiens ruhig, aber doch zum Zuhören zwingend über die Rampe zu bringen. Gekleidet als Adliger des vorrevolutionären Frankreichs strahlt er Autorität aus.

Sein junger Alter Ego ist Sven Bold, wie Pur-Theatergründer Scharbert ein alter Bühnenhase. Bold taucht tief in alle Winkel seiner Rolle ein, in die Verzweiflung des von der wankelmütigen Isabelle de Gramont genarrten jungen Mannes, in die des erschöpften Reiters, in die des aufgeklärten französischen Offiziers, der in einem einsamen Dorf in Serbiens Bergen wegen des Winters festsitzt und das Grauen erlebt. Auch mit kleinen Gesten oder einfach Schweigen drückt Bold Zweifel und Entsetzen aus.

In der düsteren Hütte der Familie Gortscha verliebt er sich in die junge Zdenka. Nadine Lüders gibt erst Isabelle de Gramont als verwöhnte Zicke und verwandelt sich dann in das liebenswürdige Mädchen Zdenka. Sehr natürlich und authentisch durchlebt sie alle Stadien ihrer Rolle von der fürsorglichen Schwester über das angstvolle Mädchen bis zur zerstörerischen Liebhaberin.

Als düsterer, störrischer Geselle interpretiert Ralf Janz seine Rolle als Grigori, ältester Sohn des alten Gortscha, der als erster zum "Wurdelak", zum Vampir wird. Helje Meßfeldt ist Gortscha, und er füllt seine blutsaugende Rolle mit köstlicher Gruseligkeit. Jakob Schneider spielt den zweiten Sohn Pjotr ebenso glaubwürdig wie Frauke Meßfeldt die Schwiegertocher Polina, die ihren Sohn Sascha retten will. Morten Steinmeier erweist sich als Sascha als kleines Naturtalent. Bestens in der Nebenrolle einer Hexe von Dorfbewohnerin erhält Bärbel Bade viel Applaus.

Noch zu sehen am Sonnabend, 7. November, 21 Uhr, Theatersaal am Schulzentrum Süd, Poppenbütteler Straße 230, in Norderstedt. Eintritt sieben Euro.