Die 24-Jährige kommt aus Ulan-Ude in Burjatien und ist Stipendiatin des Pädagogischen Austauschdienstes.

Norderstedt. Oxana friert in Norderstedt. Oxana kommt aber nicht etwa aus Brasilien. Sondern aus Sibirien. Ost-Sibirien. Gleich vor der Mongolei, dem Reich Dschingis Khans. Und dort kann es heftig kalt werden. Dort, wo Oxana geboren ist, herrscht der Winter mit Temperaturen bis zu 50 Grad Minus. In Ulan-Ude, wo die 24-Jährige lebt, werden es "nur" 30 Grad Minus. Doch in Norderstedt friert Oxana.

"Diese nasse Kälte kriecht in alle Poren", sagt sie und kuschelt sich in ihren weißen Pullover. Ihr Deutsch ist einwandfrei. Oxana Tapkharova ist Lehreranwärterin für Deutsch. In Ulan-Ude. In Norderstedt, 8000 Kilometer westwärts, ist sie Russisch-Assistentin. Bis Mai unterrichtet Oxana Tapkharova Russisch am Gymnasium Harksheide. Sie kommt als Stipendiatin über den Pädagogischen Austauschdienst nach Deutschland.

"Wir bewerben uns jedes Jahr erneut beim Austauschdienst um eine Russisch-Assistentin", sagt Sigrid Krüger. Die Oberstudienrätin und Fachschaftsleiterin Russisch am Gymnasium Harksheide betont, dass die Schüler begeistert sind von den jungen Lehrkräften aus Russland und diesmal sogar Sibirien. Derzeit hat das Gymnasium 86 Russisch-Schüler. "Die Tendenz ist steigend, denn Russisch gilt als dritte Fremdsprache, weil sich die Wirtschaft nach Osten öffnet", sagt Krüger.

Oxana Tapkharovas Heimatstadt Ulan-Ude ist die Hauptstadt der Republik Burjatien, eine autonome Republik innerhalb der russischen Föderation. Doch Moskau ist weit weg, 5640 Kilometer westlich. 1666 wurde Ulan-Ude als Winterstation der Kosaken gegründet. In der Nähe befindet sich das größte buddhistische Kloster Burjatiens. Auch Oxana ist Buddhistin. Und Burjatin, eine von einer Million. Ihre Großeltern waren noch Nomaden, lebten in einer Filzjurte und zogen durch die sibirische Steppe. "Meine Mutter wuchs in der Jurte auf. Mein Großvater ließ aber alle seine zehn Kinder studieren, obwohl er selbst Analphabet war", bewundert Oxana ihren Großvater.

Oxana siezt ihre Eltern. Sie siezt alle Menschen, die älter sind als sie. "Ich kann niemanden duzen, der älter ist als ich. Das wäre respektlos", sagt sie. Ihre Mutter studierte in Irkutzk, sie selbst in Ulan-Ude. Der Vater war West-Burjate und "sehr von Russland beeinflusst". Mit ihm wurde die Familie sesshaft.

So ganz fremd ist der jungen Frau aus Ost-Sibirien Deutschland aber nicht. Vor sieben Jahren war sie für zwei Monate auf Schüleraustausch in Schwedt/Oder an der deutsch-polnischen Grenze. "Das war ein großes Erlebnis, weil damals die Unterschiede zwischen Burjatien und Deutschland noch gravierend waren", sagt Oxana. In den letzten zwei Jahren habe Burjatien einen riesigen Entwicklungssprung gemacht. Die Infrastruktur sei aufgebaut worden, und die Supermärkte und Geschäfte seien genauso mit Waren überfüllt wie in Deutschland.

Deutschland und die deutsche Sprache sind in Sibirien allgegenwärtig. Dafür hat schon Katharina II. gesorgt, als sie Deutsche nach Sibirien umsiedelte. "Die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland waren durch alle Jahrhunderte gut", sagt Sigrid Krüger, die auch Geschichte unterrichtet.

"Ich habe bereits in der ersten Klasse Deutsch gelernt und an der Uni in Ulan-Ude Deutsch studiert", sagt Oxana. Sie liebt die deutsche Sprache. Denn die ist in ihrem Heimatland ebenso verwurzelt wie Oxana selbst. So ist auch burjatisch die eigentliche Sprache der jungen Philologin, die in ihrer Heimat auch Englisch unterrichten wird. Sie fühlt sich wohl am Gymnasium Harksheide: "Die Schüler sind alle sehr nett, höflich und vor allem offen und kritisch." Burjaten seien eher verschlossen, dafür aber sehr gastfreundlich.

"Im Januar möchte ich mit den Schülern unser buddhistisches Neujahrsfest 'Der Weiße Mond' feiern", sagt Oxana. Im Russisch-Raum des Gymnasiums hat sie eine Burjatien- Ecke mit Landkarten, Ansichtskarten, Fotos und Prospekten über ihre Heimatstadt eingerichtet. "Zum Neujahrsfest 'Weißer Mond' tragen wir weiße Kleider und bunte, heilige Bänder. Außerdem werden nur weiße Speisen gegessen", sagt Oxana. Probleme? "Nur das Essen", sagt sie und lacht. Beispielsweise sei eine burjatische Mahlzeit ohne Suppe und Fleisch undenkbar. "Wir sind ein Volk von Jägern und Sammlern, denn die Erde ist uns heilig", sagt Dschingis Khans Tochter.