Die 37-jährige Doktorin der Biologie aus dem kleinen Ort Wiemersdorf wandelte auf buddhistischen Pfaden und pilgerte 90 Tage lang auf der japanischen Insel Shikoku zu Fuß mehr als 1400 Kilometer weit von Tempel zu Tempel. Es soll für sie nicht die letzte Tour ins Land der aufgehenden Sonne gewesen sein.

Wiemersdorf/Tokushima. Der kleine Ort im Nordosten des Kreises Segeberg hat ein Raiffeisen-Silo, einen AKN-Haltepunkt und eine Autowerkstatt. Alles ist hübsch ordentlich. Die Bäume auf dem sanften Hügel von Wiemersdorf färben sich herbstlich-bunt - malerisches Holsteiner Land. Wer von hier stammt und aufbricht, um ans andere Ende der Welt zu reisen und zu Fuß auf eine mehr als 1400 Kilometer lange, buddhistische Pilgertour zu gehen, braucht einen starken inneren Antrieb. "Ich habe einen an der Klatsche mit Japan", sagt Dr. Britta Eisermann lakonisch. Die 37 Jahre alte Biologin darf sich "skikoku-henro" nennen, denn sie hat gerade nach alter japanischer Tradition den Skikoku-Pilgerweg zu 88 heiligen Orten (siehe untenstehenden Text) buchstäblich beschritten.

Mit dem Japan-Virus infiziert wurde die Wiemersdorferin bereits als Teenagerin. Als Zwölfjährige begann sie, im heimischen Sportverein Karate zu trainieren. Schnell faszinierte sie über sportliche Aspekte hinaus auch die Philosophie hinter der japanischen Kampfkunst. Gut 20 Jahre später verbrachte sie 2005 einige Monate in Yokohama im Land der aufgehenden Sonne und arbeitete dort als Immunbiologin. Ein Jahr später besuchte sie im Urlaub Okinawa - und kletterte auf den Fujijama, den heiligen Berg der Japaner.

Die dritte Tour nach Japan aber stand für Britta Eisermann unter ganz anderen Vorzeichen. Mit nur wenigen Kilogramm Gepäck, nur mit der nötigsten Ausrüstung versehen, sollte es 90 Tage lang auf einen Pilger-Trail gehen, der teilweise anmutet wie eine Berg-und-Talbahn. Warum in diesem Jahr? Die Biologin auf Arbeitssuche machte aus der Not eine Tugend: "Zeit hatte ich genug. Ich habe mich gefragt: Wenn nicht jetzt, wann dann?"

Ob sie sich als Buddhistin fühle? "Jein. Ich finde mich in der buddhistischen Religion eher wieder als in unserer christlichen."

Die Vorbereitungen waren akribisch, wie Britta Eisermann erzählt. Zu Fuß absolvierte sie regelmäßig längere Strecken, bis nach Bad Bramstedt oder sogar ins rund 15 Kilometer entfernte Neumünster. Ganz der Zen-Buddhismus-Philosophie gemäß sollte der Weg das Ziel sein: "Ich wollte die Natur und das Laufen genießen." Fünf bis 30 Kilometer pro Tag sollten es werden, die sie auf Shikoku per pedes absolvierte. Als allein reisende, blonde Frau und Ausländerin war sie auf der Pilgerroute, die als eine der ältesten der Welt gilt, eine echte Exotin. Und auch nur noch wenige Pilger legen wie sie die Rundtour entlang der 88 Tempel zu Fuß zurück. "Viele Japaner benutzen inzwischen Busse", so die 37-Jährige, "einfach, weil sie zu wenig Zeit haben."

Sie suchte vor Ort den Austausch mit den Menschen, die sie in den Pilgerherbergen und entlang des Weges traf - und sei es mit Händen und Füßen. Obwohl sie etwas Japanisch spricht, machten Britta Eisermann häufig doch vor allem Sprachprobleme zu schaffen. Und trotz einiger Vorkenntnisse hielt die Tour auch für sie manchen "Kulturschock" parat, wie sie zugibt. Zum Beispiel an einem der ersten Abende in einem traditionellen Gästehaus im Gemeinschaftsbad mit einer ganzen Schar Japanerinnen. Das heiße abendliche Bad aber wollte sie später nicht mehr missen: "Ein Genuss, um zu regenerieren." Angst hatte sie, die demnächst die Karate-Prüfung zum Schwarzgurt ablegen will, in all den Wochen nie: "Japan ist ein sehr sicheres Land." Wenn auch Mutter Jutta Eisermann sagt: "Gut, dass wir manches vorher nicht gewusst haben."

Sie habe nie gezweifelt, das gesetzte Ziel erreichen zu können, sagt Britta Eisermann. Zu den Höhepunkten der Pilgerreise gehörte für sie, zu erleben, "wie viel wir als Mensch ohne Maschinen leisten können".

Am Ende hatte sie außer dem klassischen 88-Tempel-Rundweg sogar noch einige Dutzend Kilometer zusätzlich auf Nebenrouten abgelaufen.

Zu den unschönen Momenten habe gehört, als sie sich einmal im strömenden Regen und mitten im Wald komplett verlaufen habe. Ein Autofahrer habe sie dann ein Stück weit mitgenommen. Und am Ende des Tages beschenkten Japaner die Pilgerin aus dem fernen Deutschland mit einer Einladung zum Essen und Baden in einer Art Wellness-Hotel. "Ansonsten habe ich überall Pilgergeschenke in Form von Naturalien wie Bonbons oder Kekse bekommen", erzählt die 37-Jährige.

Ob sie nach Shikoku zurückkehren werde? "Ich habe es versprochen", sagt Britta Eisermann - und zeigt auf eine Art buddhistischen Rosenkranz am Handgelenk, der dieses Versprechen manifestiere. "Und ich gehöre zu den Menschen, die ihre Versprechen halten."

Und das klingt nun wieder ganz nach einer Holsteinerin.