18 Hobbyboxer gehen bei der größten Jedermann-Box-Veranstaltung in Hamburg in den Ring. 1000 Zuschauer feuern an und leiden mit.

Norderstedt. Schweißtropfen fliegen aus dem Ring, die Nase blutet, die Augen haben sich in die Höhlen zurückgezogen: Der "Destroyer" versucht, seinen Gegner zu Boden zu zwingen, allein mit der Kraft seiner Fäuste. Doch als der Gong die erste Runde einläutet, sieht sich Georg Kaiser (30) in die Defensive gezwungen. Michael Meyer (39), Kampfname "Natural", drischt auf Kaiser ein, versucht den "Destroyer" zu überrennen.

In der zweiten Runde hat der Norderstedter Kaiser die Situation im Griff, der Kampf entwickelt sich zu einem der besten an diesem Abend. 18 Boxer traten am Sonnabend in der "TriBühne" an. "White Collar Boxing" heißt das Spektakel, das allen, die in den Ring steigen, Grenzerfahrungen verspricht. Sozialpädagoginnen, Mütter, Mechaniker, Logistiker, Kaufleute und Manager streifen sich die 16-Unzen-Handschuhe über und versuchen, dreimal zwei Minuten auf den Beinen zu bleiben. Der Kampftag in Norderstedt war die größte Jedermann-Box-Veranstaltung im Hamburger Raum. Schon zum zweiten Mal hatten die Techniker den Theater- und Konzertsaal in eine Boxarena verwandelt.

Die Hobby-Boxer trainieren hart, lernen Fachbegriffe wie Auslage, Deckung, Beinarbeit. "Fäuste hoch, Bewegung" - vom Rand geben die Trainer Tipps, in den Pausen befestigen sie den Kopfschutz, fächeln mit dem Handtuch Luft zu, bespritzen die geröteten Gesichter mit Wasser. Die Veranstalter Tim Tuchel und Christian Voigt vom "White Collar Boxing Club" haben professionellen Promotern wie Klaus-Peter Kohl und Wilfried Sauerland abgeguckt, wie Sport zur Show wird. Musik und Spotlicht beim Einmarsch, Vorstellung der Boxer, Sekt und Wein an der Bar - das Konzept zieht, rund 1000 Zuschauer feuerten die 14 Männer und vier Frauen an, litten mit und zeigten sich - man macht sich chic, die Röcke sind kurz, die Dekolletés tief, die männlichen Fans tragen Anzug und Krawatte.

"Georg, Georg", rufen die Fans von Lokalmatador Kaiser. Sie sind aufgestanden und wollen ihren Mann zum Sieg klatschen. Nach drei Runden hebt Ringrichter Tobias Habighorst die Arme beider Kämpfer in die Höhe: Unentschieden lautet das Urteil. "Das war verdammt hart, aber gut", sagt Kaiser. Der Automechaniker, der sich eineinhalb Jahre intensiv auf diesen Auftritt vorbereitet hat, hatte Respekt vor seinem Gegner. "20 Kilo mehr und zehn Zentimeter größer, das macht schon was aus", sagt der "Destroyer", noch immer schweißnass am ganzen Körper und ausgepumpt - und doch stolz, dass er die Herausforderung bestanden hat.

Da hatte Frank Rohde, mit 54 Jahren der älteste, schon geduscht. "Ich wollte einmal im Ring stehen, und das habe ich jetzt geschafft", sagte der 1,90 Meter große Kaufmann aus Hüttblek. Kurz hatte er überlegt, ob er absagt. Durchfall hatte ihn geschwächt, acht Kilo Kampfgewicht waren auf der Strecke geblieben. "Doch das wollte ich meinem Gegner nicht antun", sagt der Hobbykämpfer, den der Ringrichter als "Tony, der Schubmast" ankündigte. "Die Zeit verging dann doch schneller als erwartet. Ich weiß aber, dass ich Fehler gemacht habe. Das Kinn war zu hoch, ich bin zu viel stehen geblieben", lautet Rohdes Bilanz. Sein Gegner Marc Standke (35) aus Hamburg hatte nicht nur lautstarke, sondern auch sichtbare Unterstützung: "Marc, hau' ihn weg" und "Marc, ich bin dein Fan" hatte Familie Blank aus Norderstedt auf die gelben Schilder geschrieben.