Der Text, der über dieser Woche steht, lautet: “Dies Gebot ist uns gegeben: Alle, die Gott lieben, sollen auch ihre Geschwister lieben (1. Joh. 4,21)“.

Mit den Geschwistern sind alle Menschen gemeint, mit denen man zusammenlebt. Gottesliebe und Nächstenliebe sind nicht voneinander zu trennen - dieser Grundgedanke durchzieht die Bibel von Anfang bis Ende.

Dieser Wochenspruch stammt aus dem ersten Johannesbrief, der eigentlich gar kein Brief ist, sondern eher eine sehr praktische Predigt. Die Gemeinde, wie man das auch kennt, ist zerstritten. Der Prediger weiß keinen anderen Rat mehr, als die Gemeinde zu ermahnen: Wer seine Nächsten nicht liebt, liebt auch Gott nicht, auch wenn er oder sie es noch so laut betonen. Man kann Gott nicht lieben, ohne seine Nächsten zu lieben. Liebt ihr also eure Nächsten nicht, so handelt ihr gegen Gott.

Das ist starker Tobak und wird von vielen heutzutage als "moralisch" abgewertet. Aber man mag sich winden oder auch die Sache drehen und wenden wie man will: Der Prediger hat schlicht Recht. Das ist unsere jüdisch-christliche Überzeugung. Hier wird nicht rumgeeiert, es wird klar ausgesprochen, was auch notwendig ist. Den anderen zu übervorteilen ist Mist; ihn zu betrügen, zu hintergehen, zu mobben, zu missachten, auf die Seite zu drängen, um seine Ersparnisse zu bringen, all das ist Mist, ist nicht gottgefällig.

Es braucht die Klarheit des Gebotes oder auch Gesetzes, um sich orientieren zu können, um zu wissen und zu spüren, was gut und was böse ist, was uns also in unserem Zusammenleben hilft und was uns schadet. Insofern ist nämlich die Nächsten- und Gottesliebe immer auch eine Liebe zu uns selbst, weil nur sie die kleine Welt schafft, in der man leben mag.

Nun verstoßen wir alle immer wieder gegen dieses Gebot. Wenn von Gott gesagt wird, dass er auch die Sünder liebt, dann ist auch das wahr. Aber diese Liebe zeigt sich, wird erfahrbar und erlebbar nur dann, wenn man sich die Sünde eingestehen kann, sich zu ihr bekennt. Dass wir Menschen so menschlich sind und immer auch "Mist" machen, weiß Gott längst. Aber Gnade walten lassen und vergeben geht doch erst, wenn auch das Unrecht eingestanden werden kann: Ich bin meinem Kind, meiner Partnerin, meinem Nächsten nicht gerecht geworden. Zu diesem Mut will die Liebe Gottes uns verhelfen.