Nach der “Vernehmung“ durch Gastronom Kurt Barkowsky kommt erstmals klare Unterstützung von den Sozialdemokraten. Der Verwaltungschef spricht von einem “Skandal“ und wehrt sich heftig.

Kaltenkirchen. So schnell bringt Kurt Barkowsky nichts aus der Ruhe. Seit Jahrzehnten rackert der Gastronom in wechselnden Positionen für die CDU in der Kaltenkirchener Kommunalpolitik, hat sich mit seiner rauen und bärbeißigen Bassstimme in so manchen Zank eingemischt und boxt notfalls auch Entscheidungen durch, mit denen man sich keine Freunde schafft. "Ein harter Hund", sagen manche anerkennend. "Der guckt wie Käpt'n Ahab", sagen andere. Die Worte, die er nach der letzten Stadtvertretung sprach, wollen so gar nicht zu ihm passen. "Irgendwann muss man es doch mal herausschreien", sagte Barkowsky fast verzweifelt, nachdem er wieder einmal Bürgermeister Stefan Sünwoldt attackiert hatte. Mangelnde Informationen, schlechte Vorbereitung der Entscheidungen, Fehler in der Verwaltung - wie oft hat Barkowsky dem Bürgermeister diese Kritik in den vergangenen vier Jahren öffentlich oder im Vier-Augen-Gespräch im Hinterzimmer um die Ohren gehauen. "Ich weiß bald nicht mehr, wie es weitergehen soll", sagt Barkowsky. Er ist nicht nur CDU-Fraktionsvorsitzender, sondern auch Chef im mächtigen Hauptausschuss.

Zum jüngsten Eklat kam es in der Stadtvertretung, als Barkowsky wie bei einer Vernehmung den Brgermeister mit Fragen attackierte: Kennen Sie Ihre Aufgaben als Bürgermeister? Sind Sie in der Lage, die Aufgaben zu lösen? Sünwoldt reagierte cool, obwohl ihn der Frontalangriff sichtlich unter Druck setzte. "Ich habe keine Lust, auf die Fragen zu antworten", sagte Sünwoldt. Er werde sich nichts ins Kreuzverhör nehmen lassen.

Fast scheint, als würde Barkowsky sich an dem Sozialdemokraten im Rathaus abarbeiten, der nicht nur politisch, sondern auch persönlich völlig anders gestrickt ist: ein langer schlanker Typ mit jungenhafter Stimme und dicker Brille, Verwaltungsjurist und Einser-Lateiner. "Er ist nett", sagen sogar seine schärfsten Gegner. Auch Barkowsky erklärte: "Persönlich habe ich nichts gegen ihn." Aber: "Das musste mal raus."

Schnell hat er die Themen parat, die Sünwoldt angeblich allein in den vergangenen Wochen nicht auf die Reihe bekommen hat: Trotz mehrerer Erinnerungen habe der Bürgermeister die Verträge zur Zukunft des Jugendhauses Kaktus zu spät vorgelegt. Trotz eines zu erwartenden "Riesenminus" im Haushalt führe Sünwoldt keine Gespräche mit den Fraktionen, wie künftig ein Haushalt gestaltet werden könne. In Sitzungen fehlen wichtige Informationen. Nach der Pleite wisse niemand, wie es im Ratskeller weitergehe. Und so weiter. "Er verwaltet nicht, er arbeitet wie ein Präsident", sagt Barkowsky und stellt sich die Frage: "Kann er den Job nicht oder will er das nicht?"

Eine Antwort lautet: "Man hat manchmal den Eindruck, dass der Bürgermeister in einigen Bereichen überfordert ist." Das sagt FDP-Fraktionschef Eberhard Bohn, der ebenfalls für regelmäßige Attacken auf den Bürgermeister bekannt ist. Der altgediente Liberale ist ebenso wie CDU-Stadtvertreter Karl-Heinz Richter Stellvertreter des Bürgermeisters. Erst im März hatten sich beide öffentlich vom Bürgermeister "distanziert", weil er ihnen wichtige Informationen über die Pannen bei der Marschweghalle vorgehalten haben soll.

Bohn und Richter - zwei unterschiedliche Typen, die sich häufig einig sind. Der pensionierte Schuldirektor Bohn gilt als sprachgewandter Debattenredner mit Hang zum Populismus. Landwirt Richter ist kein Mann des geschliffenen, aber dafür des klaren Wortes.

Der Zoff zwischen Rathaus und Politik führte vor Monaten sogar dazu, dass ein Mediator das zerrüttete Verhältnis reparieren sollte. Verwaltung und die gewählte Selbstverwaltung zogen sich ein Wochenende lang zur Klausur zurück. Einziger Effekt: In den ersten Monaten danach drangen die Streitereien nicht mehr in die Öffentlichkeit.

Barkowskys Fragen seien als SOS-Ruf zu verstehen, weil Sünwoldt seine Arbeit als Bürgermeister nicht erledige, wie es nötig sei, sagt Bohn. Seine Vorwürfe: Wichtige Anliegen der Bürger werden nur oberflächlich oder gar nicht beantwortet. Sünwoldt mangele es an Führungskraft. Er habe keinen Durchblick. Sein Fazit: Der Imageschaden für die Stadt wachse.

Auch von seinen Parteifreunden in der SPD hat Sünwoldt bislang kaum Rückendeckung bekommen. Gab es Streit um den Bürgermeister, fiel allenfalls das Schweigen der Sozialdemokraten auf. Das hat sich seit Barkowskys Vernehmungsversuch allerdings geändert. "Völliger Blödsinn", sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Georg Loger über die Kritik der anderen Parteien. Der Bürgermeister solle persönlich getroffen werden. "Das schadet dem Ansehen der Stadt und der Stadtvertretung." Begeisterung über die Amtführung Sünwoldts klingt allerdings anders. "Er erledigt seine Arbeit, wie es vorgeschrieben ist", sagt Loger.

Sünwoldt bezeichnete die Äußerungen von CDU und FDP als "Skandal". Die Stadtvertretung gestalte nicht, und die Politik müsse zum Beispiel bei der integrierten Stadtentwicklung endlich ihre Hausaufgaben machen. "Darüber rede ich mir schon seit Jahren den Mund fusselig."