Nach dem Mauerfall drängten DDR-Bürger auch nach Norderstedt. Das Rathaus war dicht, die Besucher bekamen ihr Begrüßungsgeld dort nicht. Sie fuhren zur Polizei, die sich das Geld vom Kaufhaus lieh.

NZ-Redakteur Frank Knittermeier beschrieb die unbürokratische Aktion am 14. November 1989.

Norderstedt wurde von den geschichtlichen Ereignissen regelrecht überrollt. Noch am Freitag hat der Bürgermeister empfohlen, das Begrüßungsgeld von 100 Mark bei Bedarf privat auszuzahlen, die Bürger sollten es sich am Montag von der Stadt wiederholen. Doch diese Praxis erwies sich ganz schnell als nicht realisierbar, da die meisten DDR-Bürger ohne jeglichen privaten Kontakt nach Norderstedt kamen: Polizei und Stadt mussten sich vom Kaufhaus Karstadt 50 000 Mark leihen, um das Begrüßungsgeld schnell und unbürokratisch auszahlen zu können.

Noch am Freitag hatte es im Norderstedter Rathaus niemand für möglich gehalten, dass ausgerechnet hier kurzfristig ein starker Andrang von DDR-Bürger herrschen könnte. Doch das war eine krasse Fehleinschätzung der Situation: Viele DDR-Bürger kamen mit ihren Fahrzeugen und standen zunächst einmal vor dem geschlossenen Rathaus, wo sie keinen Hinweis fanden.

Der nächste Weg führte zur Polizei, wo sich bereits am Sonnabend in aller Frühe die ersten Besucher aus der DDR einfanden. "Die Leute standen mit ihren Trabis hier direkt vor der Tür", berichtet Polizeichef Geyer. "Sogar nachts kamen die Besucher." Die Polizei schaltete schnell: Die Beamten ließen sich von Karstadt Bargeld geben und zahlten ohne größere Formalitäten das Geld aus. Polizeichef Eberhard Geyer alarmierte jedoch den Norderstedter Stadtrat Dr. Heinz Bischoff, der als zuständiger Dezernent dann ebenfalls verfügte, dass im Foyer des Rathauses auch Geld ausgezahlt werden sollte.

Insgesamt wurden sowohl bei der Polizei als auch bei der Stadt Norderstedt jeweils 197 Besucher aus der DDR gezählt. Sie bekamen jeweils 100 Mark Begrüßungsgeld und einen Stempel in ihren Ausweis (als Nachweis für das erhaltene Geld). Für das kommende Wochenende verspricht Stadtrat Bischoff eine besser vorbereitete Lösung, die vorher überall bekanntgegeben werden soll.

In Henstedt-Ulzburg hatte Bürgermeister Volker Dornquast die Zahlungsstelle sogar kurzfristig in sein Wohnzimmer verlegt. DDR-Besucher, die sich bei der Polizei meldeten, wurden dann auch zum Bürgermeister nach Hause geschickt.

Insgesamt erhielten rund 135 DDR-Besucher die 100 Mark Begrüßungsgeld. In Kaltenkirchen setzte sich der Kassenleiter ins Rathaus und zahlte 51 DDR-Besuchern das Geld aus.