Comic-Zeichner Rötger “Brösel“ Feldmann und sein “Semmel Verlach“ luden zum Rennen Horex gegen Porsche auf den Flughafen Hartenholm ein. Schleswig-Holsteins Antwort auf Woodstock.

NZ-Redakteur Frank Knittermeier machte sich mutig auf den Weg nach Hartenholm. Auf dem Weg rissen Werner-Fans die Schiebtüre seins Busses auf und stiegen ein. "Schön, dass Du uns mitnimmst!"

"Eine goile Paadie", wie "Werner" es in schönster Comic-Sprache angekündigt hatte, war es natürlich: Ein tolles Gemeinschaftserlebnis, Lagerfeuer (mit abmontierten Zäunen aus der Nachbarschaft), viel Musik und jeder Menge Bier (Originalton Werner: "Bölkstoff") machten aus der "Werner"-Fete ein gigantisches Happening. Stunt-Shows, ein Truck-Weitsprung über Motorräder, Motorrad-Artisten und ein eher durchschnittliches musikalisches Angebot waren schmückendes Beiwerk für ein gigantische Motorrad-Treffen. Überall war etwas los, doch kaum jemand wusste, wann und wo die Shows liefen - viele interessierte das vermutlich auch nicht so sehr.

Als Holgi mit seinem Porsche das Rennen gegen "Brösels" Super-Horex gewonnen hatte, und der Zeichner anschließend mit Katzendreck aus einer speziell kreierten Maschine beworfen wurde, hatten viele Besucher das Gelände schon längst verlassen. Von den restlichen 150 000 hatten die meisten das Rennen nur über eine Großleinwand verfolgen können.

Auf den Straßen des Kreises Segeberg hat es ein derartiges Chaos noch nie gegeben: Ab Freitag Nachmittag lief zwischen Bad Bramstedt und Bad Segeberg überhaupt nichts mehr. 200 000 Besucher des "Werner"-Festivals und 12 000 Besucher der Maffay-Konzerte im Segeberger Kalkberg-Stadion behinderten sich bei der Anreise gegenseitig. Die Großveranstaltung auf dem Flughafen Hartenholm lockte zwar viel mehr Menschen an als erwartet, dennoch hatten Veranstalter und Polizei alles im Griff: Große Einsätze mussten nicht gefahren werden, es gab keine Schwerverletzten, "nur" etliche hundert leicht Verletzte. In Hasenmoor und Hartenholm sprachen die Einheimischen von einer "Naturkatastrophe". Hartenholms Bürgermeister Kurt Böge: "Die Veranstalter ziehen ab, und unser Dorf bleibt beschissen zurück..."

Am Sonnabend hatten sich etwa 190 000 Besucher rund um den Flughafen eingefunden. Als immer mehr Besucher eintrafen, griffen die Veranstalter zu einer Notlösung: Die Tore wurden geöffnet, Karten nicht mehr kontrolliert. "Wir mussten eine Panik vermeiden", so Uschi Feldtmann vom "Semmel Verlach". Dazu wäre es beinahe gekommen: Im Vorverkauf waren 100 000 Karten verkauft worden, da aber immer mehr Besucher aus allen Teilen der Bundesrepublik angereist kamen, fehlten Camping- und Parkflächen. Noch in der ersten Nacht mieteten die Veranstalter von den Landwirten 55 Hektar Ackerflächen hinzu

Am Sonntag gab es Probleme, die zum Himmel stanken: Wegen der blockierten Straßen, die B 206 war völlig gesperrt, kamen die Entsorgungsfahrzeuge nicht mehr rechtzeitig auf das Gelände - die rund 600 Toiletten liefen über.

Die 300 Polizisten, die meisten in Zivil, brauchten nur selten einzugreifen. Die Einsatzleitung zog in der Nacht zum Sonntag dieses Fazit: Es ist den Veranstaltern nicht gelungen, die Besucher durch Aktionen zu binden, durch Alkohol sollen sie friedlich gestimmt werden. Das gelang eindrucksvoll.

Von den rund 200 000 Besuchern befand sich meist nur ein Zehntel auf dem Festival-Gelände, alle anderen verstreuten sich in der Umgebung. Erst als Roger Chapmann und vor allem BAP auftraten, füllte sich das Gelände. Am Sonntag setzte das Abreise-Chaos bereits in den Morgenstunden ein, nach dem eigentlichen "Werner"-Rennen waren sämtliche Straße verstopft.

Auch am Tag danach machte sich Frank Knittermeier noch mal nach Hartenholm auf.

"Das waren alles anständige Jungs", lobt Schuhhändler Reinhold Hartmann, während er in der Ortsmitte mit einem Reisigbesen am Werk ist. In dem Müll-Chaos erkennt Hartmann sogar System: Die Besucher hätten den Müll ordentlich bei den Papierkörben abgelegt. Dass die Körbe überquollen und nicht geleert wurden, sei das eigentliche Problem, aber keineswegs die Schuld der jungen Leute.

Vor seinem Schuhgeschäft hatte Hartmann an den drei "Werner"-Tagen einen Stand mit belegten Brötchen und Kuchen aufgebaut: "Wir hatten mit den Leuten keinen Ärger. Es gab nicht einen, der nicht bezahlen wollte", sagt Hartmann. Sein Eindruck: "Alle hier haben gute Geschäfte gemacht". Sein Schwiegersohn, Bäcker im benachbarten Stuvenborn, backte an den drei Tagen 25 000 Brötchen, kam nur zwei Stunden zum Schlafen.

Kirsten Bahde dagegen sieht alles ganz anders. Mit nur einem Wort sagt sie, wie sie das Spektakel fand: "Grauenhaft!" Die junge Frau wohnt nur 50 Meter vom Festival-Gelände entfernt. Auch sie ist am Tag danach mit der Harke dabei, Müll zusammenzukehren. Wer denn nun die Müllbeseitigung bezahle, erkundigt sich ein Mann, der mit dem Auto vorbeikommt. Kirsten Bahde zuckt nur mit den Schultern.

Überall im Umkreis von mehreren Kilometern sieht's haarsträubend aus: Müll, Müll, Müll. Und mittendrin stehen noch Zelte und Motorräder auf der Wiese. Einige tausend Besucher sind noch am Montag in und um Hartenholm geblieben. Auch am Tag danach trinken viele von ihnen schon am frühen Morgen "Bölkstoff" (Bier). Ein Motorradfahrer düst mit einem Kasten Flens unter dem Arm durch Hartenholm. Umsatz wie noch nie macht die einzige Tankstelle in der Umgebung, bevor die letzten "Werner"-Fans am Montag abreisen. Dicht an dicht stehen die Motorräder an den Zapfsäulen. Wie teuer der Sprit ist, erfährt am Straßenrand niemand. Denn "Werner"-Fans haben die Zahlen von den Preistafeln abmontiert.

Auf dem Flughafen werden indes die Imbissbuden und die Getränkestände abgebaut. Brauereiwagen holen Leergut ab, Techniker der Bundespost rollen Telefonkabel wieder zusammen.

Und auf dem Flugplatz, dem Zentrum der Super-Fete, liegt Müll - so weit das Auge reicht. Die Kehrmaschine fährt über den Platz, auf dem jetzt wieder die ausquartierten Flugzeuge landen sollen. Noch lässt der Alltag in Hartenholm ein wenig auf sich warten.

Die Verkehrsaufsicht des Kreises Segeberg sagte nach dem Festival, dass es eine derartige Veranstaltung wohl nie mehr genehmigen werde. Die Veranstalter hätten im Vorfeld falsche Zuschauerzahlen veröffentlicht. Wäre das Ausmaß des Festivals im Vorfeld klar gewesen, hätte die "goile Paadie" mit Werner wohl niemals stattgefunden.