Lutz Mathesdorf aus Kleinkummerfeld hat einen Blick für das Skurrile. Seine Bücher schaffen es bis in die “Spiegel“-Beststellerlisten. Im kommenden Jahr erscheinen zur Fußball-WM “Jogis Löwen“.

Kleinkummerfeld. Lutz Mathesdorf gehört zu den Menschen, die ihren Lehrern dankbar sein sollten. Nicht, weil sie ihm die Welt verständlich erklärt haben, sondern weil ihr Unterricht nervtötend öde war. In diesen Stunden auf der Schulbank entdeckte der kleine Lutz sein Talent. Mathesdorf griff zum Stift und zeichnete Schulkameraden und Lehrer, wenn er sich mal wieder langweilte. Nicht immer freundlich, aber sehr gekonnt.

Comics - das war schon damals sein Leben. "Tim und Struppi" gehörte zu seiner Lieblingslektüre, dann malte er seine Sprechblasenfiguren lieber selbst. Der 46-Jährige aus dem kleinen Dorf Kleinkummerfeld bei Neumünster dürfte zu den wenigen Comic-Machern gehören, die es sogar in die Bestseller-Liste des "Spiegel" schafften. Seine beiden Fußballbücher unter dem Titel "Bertis Buben" über die Fußballnationalmannschaft unter der Regie von Berti Vogts kletterten Ende der 90er-Jahre bis auf Platz zehn. Es folgten "Ribbecks Racker". Im kommenden Jahr sollen zur Fußball-WM "Jogis Löwen" für ähnliche Erfolge sorgen.

Und woher kommen die Ideen? "Ich habe den Blick dafür, dass sich Menschen skurril benehmen", sagt Mathesdorf. "Wir machen alle jeden Tag Blödsinn, auch ich." Dabei kann es um sehr schlichte Themen gehen, zum Beispiel ums Wäschewaschen. "Ich bin ein Wäschewaschdilletant", bekennt der Zeichner. "Da sind zu viele Programme an der Maschine." Schon damit ließe sich ein ganzes Buch füllen. Kein Wunder, dass immer wieder ein Alter Ego von Mathesdorf in seinen eigenen Comics auftaucht.

"Ich will lustige Geschichten erzählen", sagt er. Wenn ihm gar nicht einfallen will, geht er mit Mischlingshund Missy ("Da ist alles drin, was das Dorf hergab") ins Grüne und bekommt Eingebungen wie folgende: "Ich habe noch nie ein Bügelbrett betrachtet." Außerdem geht es in seinen Büchern immer wieder um Sport. "Das ist meine Heimat", sagt der Comicmacher, der mit seinen Söhnen (14 und 16 Jahre) und seiner zweiten Frau, einer Journalistin, in einem abgelegenen Haus am Waldrand von Kleinkummerfeld lebt. Dort hat er inzwischen den Spitznamen "Bauer Harms" weg.

Das stört Mathesdorf überhaupt nicht, denn er liebt diesen Landwirt und die anderen Figuren, die er geschaffen hat. "Wenn man die Figuren liebt, werden die Geschichten gut", hat er festgestellt. "Wenn man jemanden nicht mag, wird es fies." Deshalb mache er keine politischen Comics. "Da gibt es keinen, den ich mag." Doch zurück zu den Anfängen: Der in Neumünster geborene Mathesdorf wollte seine aus Langeweile entstandene Leidenschaft zum Beruf machen, doch seine Eltern funkten mit dem klassischen Satz "Das ist brotlose Kunst" dazwischen.

Der Kompromiss, Werbegrafiker zu werden, funktionierte nicht. Mathesdorf: "Mich wollte keiner." Dann studierte Mathesdorf widerwillig Sozialpädagogik, um gleich nach den Prüfungen mit Comics sein Geld zu verdienen. "Als Sozialpädagoge habe ich nie gearbeitet."

"Endlich hatte ich meine Freiheit!" sagt Mathesdorf. Damals, Ende der 80er-Jahre, entstanden die Werke, mit denen der Zeichner sein Dorf berühmt machte, auch wenn mancher Leser bis heute nicht ernsthaft daran glauben mag, dass es Kleinkummerfeld wirklich gibt. Zuerst entstand die Figur "Bauer Harms aus Kleinkummerfeld". Modell stand ungewollt Mathesdorfs damaliger Schwiegervater. Ein holsteinischer Landwirt, der sich brummelnd in sein Schicksal fügte. Wenig später folgte "Knecht Kalli aus Kleinkummerfeld". 16 Jahre waren die rustikalen Tollpatsche Stammgäste in mehreren Zeitungen im Raum Neumünster und im Bauernblatt Schleswig-Holstein zu sehen. Dann folgte der große und ebenso heitere Coup mit "Bertis Buben".

Auch der Ex-Formel-1-Star fand sich im Jahr 2000 plötzlich mit Schmollmund, Nussknackerkinn und roter Mütze in Mathesdorf-Comics ("Unser Schumi") wieder. Sofort drohte ein Anwalt des Rennfahrers mit einer Klage. Mathesdorf schlug statt einer gerichtlichen Auseinandersetzung eine sportliche vor und wollte sich mit einer Renn-Isetta ein Duell mit Schumacher liefern. "Seitdem habe ich von denen nichts mehr gehört", sagt der Kleinkummerfelder. Auch dieses Buch wurde ein Bestseller. Es folgte ein kurzes Zwischenspiel von Mathesdorf als Chefzeichner bei der legendären, inzwischen untergegangenen Reihe "Fix und Foxi".

Einer vom Range Mathesdorfs arbeitet inzwischen wie ein Regisseur. Er entwirft Geschichten und Figuren. Erst zeichnet er mit der Hand, dann koloriert er am Computer. Diese Vorgaben und plus einer Story mailt Mathesdorf an Zeichner, die daraus Hunderte Bilder machen, die für ein Comic-Buch erforderlich sind. Seine Begeisterung für Werke, die am Computer entstehen, ist groß: "Das sieht alles perfekter aus."