Das Martyrium der Frau dauerte fünf Stunden. Ihr Lebensgefährte wurde zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt.

Norderstedt. Jürgen L. (50) war wie vor den Kopf geschlagen, als ihm seine Lebensgefährtin Claudia R. (43) im Juni 2008 beim Essen mitteilte, sie wolle sich von ihm trennen und das nach zehn gemeinsamen, nach Meinung des Norderstedters, sehr harmonischen Jahren.

Jürgen L. wollte die Trennung nicht hinnehmen. Der sonst ruhige und friedliche Mann wurde aggressiv, er warf Claudia R. einen Teller auf den Schoß und schlug ihr mit der flachen Hand auf den Hinterkopf. Claudia R. verschwand erst mal zu einer Freundin, kam aber in den Tagen danach mehrmals in die gemeinsame Wohnung zurück - und wurde jedes Mal von ihrem Lebensgefährten angegriffen: Mal goss er ihr ein Glas Cola/Whisky über den Kopf, mal packte er sie an den Oberarmen, drängte sie in eine Ecke und schrie sie an. Als Jürgen L. ihre gesamte Kleidung aus den Schränken warf und im Bad ihre Kosmetikartikel zu Boden schleuderte mit der Aufforderung, sie solle endgültig verschwinden, hatte Claudia R. genug und wollte nie mehr in die Wohnung zurückkehren.

Doch Jürgen L. entschuldigte sich bei ihr am Telefon, und sie ging wieder in die Wohnung - ein fataler Fehler: Jürgen L. schloss seine Lebensgefährtin im Schlafzimmer ein und warf sie mit den Worten: "Jetzt kann ich mit dir machen, was ich will, ich habe dich sowieso verloren!" auf das Bett. Er riss der verängstigten Frau das T-Shirt und die Jogginghose vom Leib, begrabschte ihren Busen und vergewaltigte Claudia R. Dabei schrie er: "Macht er das so mit dir?" Jürgen L. war davon überzeugt, dass Claudia R. einen anderen Mann hat. Von 21 Uhr abends bis 3 Uhr in der Nacht dauerte das Martyrium der Frau. Dann legte sich Jürgen L. schlafen, zwei Stunden später wagte es Claudia R., sich aus der Wohnung zu schleichen. Sie ging zur Polizei, die Jürgen L. aus der Wohnung wies.

Vor dem Schöffengericht in Norderstedt unter Vorsitz von Richter Reinhard Leendertz musste sich Jürgen L. nun wegen Vergewaltigung und Freiheitsberaubung verantworten.

Der smarte Hochbautechniker kann sich an die Vorgänge im Schlafzimmer angeblich nicht erinnern. Der Norderstedter weiß nur noch, dass er schon am Nachmittag des Tattages viel getrunken hatte, als er auf seine Lebensgefährtin wartete. Irgendwann in der Nacht sei er auf dem Flur mit einer Beule am Kopf aufgewacht und ins Bett gegangen, bis die Polizei klingelte und ihm ein Hausverbot erteilte.

Claudia R. erzählt als Zeugin und Nebenklägerin detailliert und relativ gefasst von den Geschehnissen, die ihr bis heute zu schaffen machen: Nur einmal weint sie, als sie von den Vergewaltigungen berichtet, zuerst habe sie versucht, sich zu wehren, sei aber immer schwächer geworden und habe nur noch nackt und zitternd auf dem Bett gelegen, voller Todesangst. Claudia R. erlitt leichte Verletzungen im Genitalbereich und etliche Hämatome.

Sie habe nach den schrecklichen Geschehnissen zwei Wochen in einem Frauenhaus gelebt, wo darauf geachtet wurde, dass der Angeklagte keinen Kontakt zu ihr aufnehmen konnte. Unverständlicherweise ließ sie den Angeklagten nach einiger Zeit wieder in ihre neu bezogene Wohnung, man näherte sich wieder an, sogar sexuelle Kontakte gab es wieder.

Dieses Verhalten erklärt Claudia R. damit, dass der Angeklagte der einzige näher vertraute Mensch für sie gewesen sei, auch sei er früher nie gewalttätig gewesen. Inzwischen hat Claudia R. einen neuen Freund und keinen Kontakt mehr zu dem Angeklagten.

Der Verteidiger von Jürgen L. möchte erreichen, dass sein Mandant wegen des getrunkenen Alkohols für schuldunfähig erklärt wird. Die anwesende Gutachterin Dr. Dragana Seifert vom Institut für Rechtsmedizin macht ihm einen Strich durch die Rechnung: Die Behauptung von Jürgen L., er habe vor den Taten fast zwei Flaschen Whisky getrunken, könne nicht stimmen, selbst wenn er alkoholgewöhnt sei. Nach einer solchen Menge läge man auf der Intensivstation, so die Gutachterin.

Der Angeklagte wird zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, auf Bewährung, denn er ist vorher noch nie mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Er muss außerdem ein Schmerzensgeld von 1000 Euro an seine ehemalige Lebensgefährtin zahlen. Jürgen L. habe sich durch die plötzliche Trennung, die seine Lebensgefährtin nicht begründet habe, in einer psychischen Ausnahmesituation befunden, er sei kein typischer Sexualtäter, betont Richter Leendertz in der Urteilsbegründung. Der Angeklagte nahm inzwischen an einem Seminar gegen Gewalt bei Männern teil, er nimmt das Gerichtsurteil an.