Folgen der Erderwärmung werden immer deutlicher: Hohe Temperaturen lassen Gletscher zerbrechen, die Trümmer treiben im Wasser.

Grönland. Drei Grad, Nebel und Treibeis voraus - die Bedingungen, unter denen der Bramstedter Arved Fuchs zwischen Grönland und Kanada unterwegs ist, erinnern kaum an Sommer. Doch auch 1500 Kilometer Luftlinie vom Nordpol entfernt gibt es eine (vergleichsweise) warme Jahreszeit. In diesem Jahr war es sogar sehr warm. "Die Situation ist ungewöhnlich", berichtet der 56-Jährige in einem Exklusivgespräch mit der Norderstedter Zeitung von Bord seines Expeditionsschiffes Dagmar Aaen. Die Folgen der globalen Erwärmung sind in der Arktis immer deutlicher zu spüren.

Dass ungewöhnlich viel Eis auf der Route der Dagmar Aaen treibt, ist nur scheinbar ein Widerspruch zu den steigenden Temperaturen. Die Wärme führt zum Abbruch großer Eismassen im Norden, die nach Süden treiben und jetzt die Gewässer auf der Baffin Bay bedecken. "Das Eis strömt nach Süden ab", berichtet Fuchs per Satellitentelefon. "Wir hoffen, dass bald alles abgeflossen ist." Seine Expedition sei jedoch weiterhin im Zeitplan.

Auch verstärkten Eisabbruch von den Gletschern haben Fuchs und seine Crew beobachtet. "Es werden viel mehr Eisberge entlassen." Ende Juli sahen die Männer und Frauen an Bord am Gletscher von Ilulissat (Jakobshavn) gewaltige Schmelzwasserströme, die sich ins Meer ergossen. Ilulissat trägt den Titel "Der schnellste Gletscher der Welt" und wandert pro Tag etwa 22 Meter.

Fuchs und seine Besatzung suchen in der Baffin Bay nach Spuren der historischen Greely-Expedition aus dem 19. Jahrhundert. Sie gilt als die erste wissenschaftliche Reise in die arktischen Gewässer und endete mit einer Katastrophe. Von den 25 Teilnehmern überlebten damals lediglich sechs, nachdem Versorgungsschiffe wegen großer Eismassen nicht mehr zu den Männern vordringen konnten.

Bereits bei der Ankunft in den Gewässern vor Grönland sei das Wetter ungewöhnlich warm gewesen, sagt Fuchs. Bis zu 18 Grad habe die Lufttemperatur über dem 2,5 Grad kalten Wasser betragen, an Land lagen die Messungen sogar noch höher. "Das ist für die Gegend hier sehr warm." Zwar gebe es immer wieder warme Sommertage in Grönland, doch diesmal sei die Wärmeperiode besonders lang gewesen, sagt der Bramstedter. "Ungewöhnliche Wettersituationen" hat Fuchs auch auf der kanadischen Seite beobachtet. "Es gab viel Regen, manchmal sogar Gewitter."

Seine Beobachtungen seien wissenschaftlich nicht fundiert, betont der Expeditionsleiter. "Wir sind nur Beobachter in einem regional begrenzten Rahmen." Doch auch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen, dass die Sommermonate sich verheerend auf die Arktis ausgewirkt haben. Alleine im Monat Juli sind dort täglich 106 000 Quadratkilometer Eis abgeschmolzen, meldet das US-Institut für Schnee- und Eisdaten (NSIDC) in Boulder (US-Bundesstaat Colorado). Das bedeutet, dass ungefähr alle drei Tage eine Eisfläche von der Größe Deutschlands verschwindet.

Verglichen mit den Vorjahren sei die Situation allerdings nicht überraschend, sagte Lars Kaleschke vom Institut für Meereskunde der Universität Hamburg. "Das ist nichts so Dramatisches, auch die Rate ist nicht ungewöhnlich hoch." Im Juli des vergangenen Jahres hatten sich täglich 94 000 Quadratkilometer Eis aufgelöst, 2007 lag die Tagesrate bei 107 000 Quadratkilometern. Damals war die geringste Eisbedeckung seit Beginn der Satelliten- Aufzeichnung vor knapp 40 Jahren gemessen worden. Die Eisfläche zum Ende eines arktischen Sommers sei mittlerweile rund 40 Prozent kleiner als beim Start der Analysen. An Bord der Dagmar Aaen sind wissenschaftliche Untersuchungen im Winter geplant. Klimawissenschaftler Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg wird die Expedition begleiten und das Eis der polaren Gewässer untersuchen. Ein kleiner Teil der Besatzung will auf dem Schiff überwintern.