Die Segeberger Vereinigung für Jüdische Kultur und die Jüdische Gemeinde Segeberg haben das Erinnerungsprojekt initiiert. Die Stadt Segeberg hat ihre Unterstützung zugesagt.

Bad Segeberg. Melanie Annuschat und Leopold Bornstein, Frieda Epstein und Gertrud Katzenstein sind in Bad Segeberg wieder präsent. Die vier Segeberger Bürger wurden vom NS-Regime in den Tod getrieben und ermordet. Sie gehören zu den Opfern des Nazi-Verfolgungs- und Rassenwahns, zu denjenigen, die "weg mussten", als Segeberg von 1933 an "judenrein" gemacht wurde.

Jetzt legte der Künstler Gunter Demnig für Annuschat, Bornstein, Epstein und Katzenstein Stolpersteine an die Orte, an denen sie gelebt und gearbeitet haben. Durch die Verlegung der Stolpersteine vor dem Segeberger Rathaus an der Lübecker Straße 9, der alten, von den Nazis geschändeten Synagoge an der Lübecker Straße 2 und der Villa Flath, dem ehemaligen jüdischen Sidonie-Werner-Waisenheim an der Bismarckallee 5 erhalten die Opfer ihren Namen und ein Stück ihrer Würde zurück.

Die Initiative zu diesen Stolperstein-Verlegungen ergriffen die Segeberger Vereinigung für Jüdische Kultur und die Jüdische Gemeinde Segeberg.

Mehr als 50 weitere jüdische Opfer des Holocausts in Bad Segeberg hätten ein Anrecht auf einen Stolperstein. Hinzu kommen unbekannte Opfer, beispielsweise Homosexuelle, politisch und religiös Andersdenkende, körperlich und geistig Kranke (Euthanasie-Opfer). Schüler eines Geschichtsleistungskurses des Segeberger Dahlmann-Gymnasiums wollen Namen und Schicksal der Verfolgten und Ermordeten erforschen. Für die Stolpersteine (95 Euro pro Stein) für die 50 bekannten Opfer sucht der jüdische Kulturverein Sponsoren (Kontakt Heino-Ullrich@web.de ).

"Es geht nicht nur um die ermordeten oder in den Tod getriebenen Juden Segebergs, es geht um alle Opfer des Nationalsozialismus in dieser Stadt", sagt Walter Blender. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Segeberg und des Jüdischen Landesverbandes Schleswig-Holstein verweist auf die Wirkung der Stolpersteine: "Durch diese Steine wird das Vergessen verhindert." Der Glanz der Messing-Oberfläche, in die der Name, die Lebens- und Verfolgungsdaten graviert sind, bringt die Menschen symbolisch zum Stolpern. "Die Existenz der Steine erinnert die Bürger daran, dass es damals um Menschen ging und das Handeln des NS-Regimes unmenschlich war", sagt Blender.

"Für viele Stolpersteine müssen Grundstückeigentümer ihre Einwilligung geben, darum und um Patenschaften der Steine bitten wir herzlich", sagt Heino Ullrich. "Mit den Steinen erhält jedes Opfer seine Identität wieder", sagt Dieter Schönfeld. Segebergs Bürgermeister ergänzt: "Durch die Erinnerung muss das Wiederaufleben eines totalitären Systems im Keim erstickt werden." Schönfeld verspricht die Unterstützung der Kurstadt bei weiteren Stolperstein-Verlegungen.

Die Stadt Segeberg hat den Stein für Melanie Annuschat gespendet. Sie war städtische Angestellte, wurde vom NS-Bürgermeister entlassen, in die Armut getrieben und beging am 14. November Selbstmord. Der Stein für Leopold Bornstein wurde vor der Gedenkfläche der zerstörten alten Synagoge verlegt. Bornstein war Kantor der Jüdischen Gemeinde. Er wurde ins KZ Theresienstadt deportiert und starb dort am 8. November 1942.

Frieda Epstein und Gertrud Katzenstein lebten und arbeiteten im jüdischen Sidonie-Werner-Waisenheim. Frieda Epstein wurde 1943 ins KZ Auschwitz verschleppt und dort ermordet. Gertrud Katzenstein starb am 2. September 1942 im KZ Theresienstadt. Für alle Opfer hielt Schleswig-Holsteins Landesrabbiner Dr. Walter Rothschild vor dem ehemaligen Sidonie-Werner-Waisenheim das Kaddisch, das jüdische Totengebet.