Hartz-IV-Empfänger vertrieb illegale Versionen aktueller DVDs mit Kino-Filmen über das Internet und in Segeberger Kneipen. Er ist voll geständig.

Kreis Segeberg. Der letzte Teil der erfolgreichen Terminator-Reihe lief gerade erst im Kino. Doch für 3,50 Euro konnten besessene Filmfans in Bad Segeberg eine Kopie des Streifens mit Hollywood-Mime Christian Bale kurz nach dem Kinostart für ihr Heimkino kaufen. Ein 44-Jähriger im Ortsteil Gieschenhagen machte es möglich: Er kopierte und verbreitete aktuelle Kino-Hits als illegale Raubkopien. Durch einen anonymen Tipp eines Kunden ist nun einer der größten Fälle von krasser Urheberrechtsverletzung in Schleswig-Holstein aufgeflogen.

Ein derartiger Fang gelingt der Polizei nicht jeden Tag: Fast 4000 Raubkopien fanden die Ermittler bei dem "Videopiraten" - so nennt die Polizei derartige Straftäter auch noch im Zeitalter der DVD. Der 44-jährige Hartz-IV-Empfänger wurde von den Beamten schlafend in seiner Wohnung angetroffen. Der Rechner lief und zog gerade Daten aus dem Internet. Er suchte keine Ausreden und gab alles zu. "Eigentlich ist der Mann froh, dass nun alles vorbei ist. Uns hat er erzählt, dass er nun endlich wieder Bücher lesen kann", sagt Hauptkommissar Reimer Ralf vom Sachgebiet II/Betrug, der zusammen mit seinen Kollegen den Raubkopierer festnahm. Das Gucken und Sammeln der Filme sei für den Mann bereits zur Sucht geworden: "Er musste jeden neuen Film haben. Sofort", erzählt der Hauptkommissar. Vor zehn Jahren hatte der Segeberger mit dem Kopieren von Filmen angefangen. Seine Motivation war die Finanzierung seiner eigenen Film-Sucht. Auf einschlägigen Seiten im Internet bediente er sich über Filesharing-Software und "saugte" sich über die Datenleitung Kinofilme mit deutscher Tonspur und sehr guter Bildqualität auf die Festplatten seiner Computer. "Die Kopien sind vom Original kaum noch zu unterscheiden", sagt Hauptkommissar Ralf.

Über die Jahre baute der 44-Jährige einen Bestand auf, von dem manche Videothek nur träumen kann. 73 sehr eng beschriebene DIN A 4-Seiten hatte er angelegt, um allein die Filmtitel zusammenzufassen, die er im Angebot hat. Seine vollen Kataloge mit Film-Beschreibungen und Fotos umfassen drei dicke Akten-Ordner. Die Cover der Raubkopien sind professionell auf Fotopapier kopiert und, zumindest auf den ersten Blick, vom Original nicht zu unterscheiden. Die DVDs selbst haben dick aufgedruckte eigene Seriennummern - sonst hätte der 44-Jährige bei seinen eigenen Beständen selbst nicht mehr durchgeblickt. "Terminator - Die Erlösung", "Transformer 2" - selbst die allerneusten Filme, die gerade erst im Kino angelaufen sind, fanden sich im Angebot des Bad Segebergers. Dazu Dokumentationen oder Kult-Serien wie "24", "C.S.I. - Den Tätern auf der Spur", "Star Trek" oder "Dick und Doof". "Die hat er alle auf seinem Laptop gebrannt. Das Ding muss geglüht haben", sagt Hauptkommissar Ralf.

Meistens "arbeitete" der Hartz-IV-Empfänger auf Bestellung. Dazu hatte er sich im Internet eine Homepage angelegt, über die seine Kunden nur per E-Mail-Link Zutritt hatten. Dort konnten sie sich die gewünschten Titel aussuchen.

Doch der 44-Jährige pflegte auch den Direkt-Vertrieb. Manchmal packte er sich seinen Rucksack mit willkürlichen Lockangeboten voll und steuerte ganz bestimmte Kneipen in Bad Segeberg an, um dort für sein Angebot einen neuen Kundenkreis zu gewinnen. Bei Interesse für eine DVD wechselte sie zum Einheitspreis von 3,50 Euro den Besitzer. Der Ladenpreis für brandneue DVDs: 15 bis 20 Euro. Reich wurde der Segeberger bei diesen Preisen nicht - wenn man die Kosten für Rohlinge, die Computer, das Internet und vor allem die teuren Farbpatronen für den Drucker zur Kopie der DVD-Cover gegen rechnet, bleibt wohl nur ein bescheidener Gewinn. Der Verkauf der Raubkopien half ihm aber, sein teures Hobby, das Sammeln aller nur erdenklichen Filme, zu finanzieren. Die meisten Originale lud sich der Mann direkt aus dem Internet herunter, oder er lieh sie sich bei Videotheken aus. Auf die Schliche gekommen war die Kriminalpolizei dem "Videopiraten" durch einen anonymen Hinweis aus Käuferkreisen. Daraufhin verabredeten sich Mitarbeiter der Gesellschaft zur Verfolgung für Urheberrechtsverletzungen (GVU, siehe Kasten) aus Berlin mit dem Mann, ließen sich seine "Bestell-Listen" zeigen und tätigten einen Scheinkauf. Als die Ermittler die Liste des Segebergers sahen, wurden ihnen klar, dass sie einen "dicken Fisch" im Netz hatten. Da der 44-Jährige voll geständig ist und keine Haftgründe vorlagen, kam er wieder auf freien Fuß. Gegen ihn wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Auch die Käufer seiner DVDs könnten noch belangt werden: Die Verwendung illegaler Kopien ist strafbar. Allerdings war der 44-Jährige nicht so unvorsichtig, seine Kunden auf Listen festzuhalten.