Alice Sara Ott ist erst 20 Jahre alt und packt das Publikum in der voll besetzten St. Marienkirche in Bad Segeberg beim Konzert des Schleswig-Holstein Musik Festival derart, dass sie stehenden Applaus erhält.

Bad Segeberg. Die junge Pianistin bietet eine ungewöhnlich frische Herangehensweise an die Werke Felix Mendelssohns, Frédéric Chopins und Franz Liszts. Und: Die Münchner Ausnahme-Musikerin ist eine starke, aparte Persönlichkeit. Und kann auf die bei jungen Klassikmusik-Stars so beliebten Ego-Allüren und Effekthaschereien verzichten. Ihre Kunst zählt, das Werk und das Publikum. Und sonst nichts.

Hell und licht brachte sie Mendelssohns "Variations Sérieuses", Opus 54. Ihr Spiel schwebt, braust ungestüm auf, ebbt nachdenklich ab. Sie lauscht ihrem Spiel nach, um dann Mendelssohns tobenden Tönen freien Lauf zu lassen.

Beethoven. Kann eine erst 20-Jährige den Alten aus Bonn spielen? Alice Sara Ott kann. Beethovens so gern praktizierte, weil effektvolle Wucht kommt ihr nicht auf die Tasten. Sie erkundet in der Mondscheinsonate Beethovens poetische Seite, schließlich hat sie ihr Programm "Virtuose Poesie" überschrieben. Poesie stimmt, virtuos erst recht. Kompromisslos kommt das Presto agitato, temperamentvoll, jung und neugierig - aber nie wuchtig. Und dabei hat Alice Sara Ott, die ohne Notenblatt spielt, auch noch Zeit für einen Blick ins Publikum.

In Chopins Walzern verzaubert ihre durchsichtige Interpretation. Wie von fern herangeweht schweben die pianissimi und münden unvermittelt in ein krachendes fortissimo. Liszts Ètudes d'exécution transcendante A-Dur und f-Moll lässt sie stürmen, locken und trauern.