Die zehn Gebote? Na ja, kennt man doch! Wirklich? Auch das achte Gebot: “Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!“? Also, da kann ich mich gar nicht erinnern!

Nein, wirklich nicht? Oder funktionieren nur meine Verdrängungsmechanismen so reibungslos? Ziehe ich nicht auch ganz gern mal über einen "Nächsten" her und will es hinter nicht gewesen sein?

Im achten Gebot geht es sicher auch um den Nachbarschaftstratsch, der zuweilen viel Unheil anrichtet, ohne dass sich jemand wirklich verantwortlich fühlt. Doch vor allem geht es um den Schutz der Seele meines Nächsten, weshalb Martin Luther in seinem Kleinen Katechismus zur Erklärung schreibt: "Dass wir unseren Nächsten nicht belügen, verraten, verleumden oder seinen Ruf verderben, sondern sollen ihn entschuldigen, Gutes von ihm reden und alles zum Besten kehren."

Die Zeitungen sind derzeit voll von Nachrichten über Mitarbeiterbespitzelung in deutschen Vorzeigefirmen. Aber nicht nur dort wird das achte Gebot verletzt. Belügen, Belauern und Denunziation hat schon manche Firmenkultur vergiftet, manche Freundschaft zerstört und Familien auf immer verfeindet. Die Firmenleitungen halten sich bedeckt, die Strafverfahren werden meist eingestellt, weil es für den seelischen Schaden eines Menschen offenbar keinen bezifferbaren Streitwert gibt, und ein staatliches Verfolgungsinteresse bald wieder einschläft. Wenn es hoch kommt, wird ein Bußgeld verhängt, und das Gericht hebt den moralischen Zeigefinger. Meist wird es dafür bei der anschließenden Pressekonferenz von den prominenten Delinquenten veralbert. Von Buße keine Spur. Die Opfer bleiben meist auf der Strecke, in der Öffentlichkeit wie im privaten Umkreis.

Vielleicht schaffen wir es ja, in den Sommerurlauben uns Zeit zu nehmen, unsere Zunge zu hüten. Vielleicht schaffen wir es, gute Gedanken zu entwickeln, auch wenn es schwer fällt. Wenn das viele Menschen wieder üben, können unsere privaten und beruflichen Beziehungen wieder heil werden. Ich für meinen Teil will mir das achte Gebot immer wieder einmal ins Gedächtnis rufen.

Eine erholsame Sommerzeit für Leib und Seele wünscht Ihnen

Joachim Tegtmeyer

Pastor im Kirchenkreis Hamburg-West/ Südholstein