Die Kirche am Schmuggelstieg ist gesperrt. Die Gottesdienste mussten in den Gemeindesaal verlegt werden.

Norderstedt. Historische Kirchenbauten sind mehrere hundert Jahre alt, die Kirche der katholischen St.-Annen-Gemeinde am Schmuggelstieg in Norderstedt hat es gerade mal auf 58 Jahre gebracht, aber der Zahn der Zeit hat mächtig an dem Gebäude genagt: Wegen Einsturzgefahr muss die Kirche auf unbestimmte Zeit geschlossen werden. Die Gottesdienstbesucher müssen vorübergehend im großen Saal des benachbarten Gemeindehauses Platz nehmen.

Pastor Rudolf Kemme steht fassungslos vor dem Kirchengebäude, das direkt auf der Grenze zwischen Hamburg und Schleswig-Holstein steht. Er zeigt auf das Dach der Apsis, jenem halbrunden Anbau auf der Westseite, in dem der Altarraum untergebracht ist: Ein Gerüst bis zum Dach hinauf umfasst das Gebäude. Eigentlich sollte das Dach mit Kupfer gedeckt werden, weil es an einigen Stellen durchtropfte, aber als die Handwerker genauer hinsahen, entdeckten sie, dass die Wassertropfen nur der geringere Teil des Übels waren: An mindestens zwei Auflagestellen des Nagelbinders ist das Holz durchgerottet. Kleine Schäden mit großer Wirkung: Die gesamte Dachkonstruktion der Apsis muss erneuert werden, vom Hauptdach der Kirche sind es mindestens vier Meter, die abgetragen werden müssen. Möglicherweise sogar das gesamte Dach.

Der Hamburger Architekt Ulrich Suntrop schaltete sofort einen Statiker ein, der sehr schnell zu der Ansicht kam, dass diese Dachkonstruktion eine Gefahr bedeutet.

Wie es überhaupt zu diesem Schaden kommen konnte, ist unklar. Möglicherweise ist Kondenswasser in das Holz eingedrungen, vielleicht hat es auch ständig durchgeregnet. Das ist allerdings weniger wahrscheinlich, weil das Kirchendach erst 1982 neu eingedeckt wurde. Könnte 1951 zu billiges Material verwendet worden sein? Ulrich Suntrop wiegelt ab: "Nach dem Zweiten Weltkrieg hat man nach wirtschaftlichen und schnellen Lösungen gesucht."

Für die St.-Annen-Gemeinde ist der Schaden an der Kirche eine kleine Katastrophe: Erst vor gut drei Monaten sind die Restaurierungsarbeiten am Gemeindehaus beendet worden. Unter erheblichem finanziellen Aufwand (350 000 Euro) wurde das Gebäude generalüberholt.

Schlagzeilen machte dabei eine "Wucheraktion": Gottesdienstbesucher bekamen fünf Euro in die Hand gedrückt, um das Geld innerhalb einiger Monate zu vermehren. Jetzt drohen wieder erhebliche Kosten: Pastor Rudolf Kemme geht von 200 000 Euro aus. Architekt Suntrop will sich nicht festlegen. "Eine Summe im sechsstelligen Bereich", sagt er.

Wie die Erneuerung des Daches finanziert werden soll, weiß der Kirchenvorstand noch nicht. Ohne Zuschüsse geht es auf keinen Fall. Ob das Erzbistum Hamburg einspringt, ist mehr als ungewiss. Weil die St-Annen-Gemeinde mittelfristig mit der Kirchengemeinde Heilige Familie in Langenhorn zusammengelegt werden soll, ist es fraglich, ob für das Kirchenhaus am Schmuggelstieg noch Geld ausgegeben wird. Der Zusammenschluss wird kommen, wenn Rudolf Kemme in den Ruhestand geht. "Ich bin jetzt zwar schon 65 Jahre alt, arbeite aber weiter", sagt der katholische Geistliche.

Die Besucher der Gottesdienste müssen jetzt erst einmal eine Tür weiter gehen. Die Gottesdienste finden im Gemeindesaal statt, der Sitzplätze für rund 150 Besucher bietet. "Bis Weihnachten", hofft Rudolf Kempe, "sollte der Schaden behoben sein."