Der 45-Jährige legt die Filmrollen ein, hängt Plakate auf und putzt das Klo. Und wenn zu wenig Besucher kommen, findet keine Vorstellung statt - weil dann die Stromkosten zu hoch sind.

Bad Bramstedt. Heute Abend kommt der Slumdog Millionär. Und am Wochenende ist Prinzessin Lillifee zu Gast. Die Rollen mit den Vorstadtkrokodilen liegt im Vorführraum - x-mal gelaufen, jetzt reicht's. Sie gehen zurück an den Verleih. Heino Kütbach (45) hat fast jeden Film-Promi schon gesehen: von Inge Meysel bis Brad Pitt, von Asterix bis zu den Kein-Ohrhasen; RzwoDzwo und ("ganz besonders schlimm!") die Pokemons. In seinem Kino am Bramstedter Bahnhof läuft alles, was gerade aktuell, angesagt und modern ist. Jedes Jahr neue Produktionen, neue Gesichter, neue Trends aus Hollywood und Babelsberg auf der Leinwand - nur das Kino, das noch ganz altmodisch "Kur-Lichtspiele" heißt, sieht immer noch so aus wie vor Jahrzehnten.

Erster Kontakt der Norderstedter Zeitung mit Heino Kütbach: "Guten Tag, wir möchten gern eine Geschichte über ihr schönes Kino machen." Kütbach: "Prima, kennen Sie die Kur-Lichtspiele?" Antwort: "Ehrlich gesagt war ich vor 25 Jahren zum letzten Mal da." Kütbach: "Na ja, seitdem hat sich ja fast nichts verändert."

Zugegeben - der Orchestergraben, in dem in den 30er-Jahren Musiker zu den Stummfilmen spielten - ist weg. 1985 gab es mal neue Sitze. Doch bis auf das nagelneue WC auf dem Hof scheinen hier ganze Epochen knallroter Kino-Herrlichkeit und einst moderner Technik stehen geblieben zu sein. Das Kassenhäuschen mit seinen bunten Fenstern hat sich seit 1928, als das Kino mit "Die Dritte von rechts" Eröffnung feierte, bis auf ein paar neue Anstriche gar nicht verändert. Eintrittskarten kommen nicht per Computer aus dem Drucker, bei Kütbach gibt es Abreißbillets - handgestempelt versteht sich. Die Projektoren sind Baujahr 1951, als die Kinos noch betulich mit dem Spruch "Mach' Dir ein paar schöne Stunden" warben.

Das 1905 gebaute Gebäude am Schlüskamp steht unter Denkmalschutz und war einst ein Hotel. Als die Gäste nicht mehr mit Pferden kamen, wurde der Stall frei - und das Kino entstand.

Dass die Kur-Lichtspiele den gemischten Charme von Jahrzehnten vereinigen, hat Kütbach nicht geplant. Große Investitionen kann er sich schlicht nicht leisten. Sein Kino ist ein Ein-Mann-Betrieb: Er verkauft die Eintrittskarten, legt die Filmrollen ein, hängt die Plakate auf und putzt das Klo. Der Mann ist Single. Eine Familie könnte er mit dem Betrieb nicht ernähren. Sein Ziel: "Es muss so viel übrig bleiben, dass ich auch mal einkaufen kann."

Um überleben zu können, muss er das spielen, was möglichst viele Menschen auf die 143 Plätze lockt. "Hier gibt es Mainstream", sagt Kütbach. "Das sieht hier nur wie ein Programmkino aus."

Die größten Renner der Bramstedter Kino-Geschichte waren der "Schuh des Manitu" und "Ice Age" mit je 100 Aufführungen. Und wenn der Film mal nicht so gut läuft? "Dann schiebe ich einen Ruhetag ein."

Sind nur zwei Gäste da, sagt er die Vorstellung ab und zahlt das Geld zurück: "Die Stromkosten sind dann einfach zu hoch." An besonders tristen Tagen sitzt Kütbach sogar allein in seinem Kino.

Die meisten Zuschauer kommen aus Bad Bramstedt und Umgebung. Manchmal sind ein paar Stammgäste aus Hamburg und Kiel dabei, die das kleine Kino charmant und originell finden.

Auch Patienten aus den Kliniken kommen zu den Vorstellungen. Damit sie abends vor dem Zapfenstreich auf ihren Stationen wieder zurück sind, beginnen die meisten Vorstellungen etwas krumm um 19.40 Uhr und nicht etwa um 20 Uhr. "Meistens wird es dann aber doch 19.45 Uhr", sagt Kütbach. "Ich muss ja alles allein machen."

Dazu gehört auch, für süßen Knabberkram und Getränke zu sorgen. Im Vorraum hängt eine übersichtliche Liste mit dem Angebot. Der Kino-Klassiker Eis steht nicht drauf ("Die Kühltruhe schluckt zu viel Strom"), auch Popcorn fehlt. "Der Aufwand mit dem Fegen ist zu groß."

1993 hat Kütbach das Kino von seinem Vater übernommen. Auch Großvater Johannes Kütbach hat schon in den Kur-Lichtspielen Filme gezeigt. Viele Bramstedter kennen den Familiennamen besser durch einen anderen Spross: Heinos großer Bruder Hans-Jürgen (49) ist seit Jahren Bürgermeister der Kurstadt und hat einen ganz speziellen Film-Geschmack. Er entspannt sich am liebsten bei "Star Trek".

Was sieht der "kleine" Kütbach am liebsten? Es darf gern etwas schrill zugehen wie beim cineastisch-infernalischen Team Klaus Kinski und Werner Herzog oder bei alten Horror-Schinken mit Christopher Lee.

Und wann macht ein Ein-Mann-Betrieb Ferien? "Urlaub hatte ich als Jugendlicher", sagt Kütbach. "Ich war mal auf Klassenfahrt."

Kur-Lichtspiele beim Bahnhof, Schlüskamp 32 in Bad Bramstedt, Tel. 04192/3333, Eintritt: zwischen 4,50 Euro und 5,50 Euro