Der Norderstedter Heiko Schulze ist der Meister des Anderthalbhänders. Als Fecht-Trainer hat er bereits mehr als 350 Schüler ausgebildet. Sicherheit steht an erster Stelle: Nur wer gut genug ausgebildet ist, darf scharfe Waffen führen.

Norderstedt

Duell am Waldrand: Geschmeidig bewegt sich der drahtige Kämpfer in der schwarzen Lederhose und schwarzem Lederwams auf seinen Kontrahenten zu. Sein Gegenüber, ein kräftiger Mann mit wallendem Haar und Bart des Nordmanns, geht mit lautem Knurren in Verteidigungsstellung. Licht fällt durch die Bäume auf die langen Schwerter der Kämpfer, dann prallen die Waffen klirrend aufeinander.

Keine Szene aus einem Hollywood-Ritter-Actionfilm von Ridley Scott, sondern so zu erleben während des Norderstedter Mittelalterfestes. Besonders aus Sicht der Nachwuchsrecken, viele mit Holzschwertern bewaffnet, waren die vom lauten "Pling, Pling" der gekreuzten Eisenklingen begleiteten Duelle der Ritter und Kriegsknechte der Anziehungspunkt des zweitägigen Spektakels.

Auch die Knappen Daniel und Luca (sieben Jahre alt) aus Hamburg zog es dorthin, wo die Schwertschaukämpfer um den Norderstedter Trainer Heiko Schulze kunstfertig die Klingen kreuzten. "Der Schwarze ist der Böse, hoffentlich gewinnt der Liebe", sagt Daniel, der ganz schnell seine Sympathien verteilt hat beim (Schau-)Kampf zwischen dem dunkel gekleideten Jürgen Strelow aus Haselau (Kreis Pinneberg) und Jörg Ruge aus Alveslohe. "Der Böse ist aber gefährlicher", befindet Luca.

Auch die Schwarz-Weiß-Malerei, also ein gehöriges Stück Theater- und Rollenspiel, häufig inklusive verbaler Attacken gegen den "Feind", gehören dazu, wenn der Schaukampf vor Publikum zur Aufführung kommt. So lacht das junge Publikum kollektiv auf, als Schwertschaukämpfer Daniel Sattler, der einen Ritter des Malteserordens verkörpert, sich seine entwaffnete Gegnerin über die Schulter wirft und vom Kampfplatz schleppt.

Was von außen alles leicht und locker aussieht, ist das Resultat jahrelangen, regelmäßigen Trainings. Erst dann sind die Schwertkämpfer in der Lage, Angriffe sicher abblocken und mit der Waffe sicher umgehen zu können. Es wird nicht wild aufeinander eingedroschen, sondern bestimmte Schläge und Bewegungsabläufe miteinander verknüpft. "Der Verlauf der Kämpfe wird aber vorher nicht abgesprochen. Die Teilnehmer reagieren individuell mit den erlernten Techniken", sagt Heiko Schulze (39).

Er war bereits vor mehr als zehn Jahren vom Mittelalter-Virus erfasst worden, ist inzwischen Hauptorganisator und Instrukteur von Schwertschaukampfseminaren an mittlerweile 26 Volkshochschulen in ganz Deutschland und leitet seit vorigem Jahr die hiesige "Schule für mittelalterlichen Schwertschaukampf".

Bestimmte Angriffstechniken und Blöcke mit dem Anderthalbhänder, einem Schwert, das sowohl ein- wie zweihändig geführt werden kann, sind bereits seit Jahrhunderten überliefert. So gilt der Fechtmeister Johannes Liechtenauer ("Kunst des langen Schwertes"), der im 15. Jahrhundert lebte, als einer der Begründer der "Deutschen Fechtschule". Von ihm heißt es: "Er hat sie (die Kampfkunst) nicht selbst erfunden und erdacht. Vielmehr hat er manches Land durchfahren und durchsucht um dieser echten und wahrhaften Kunst willen."

So agierte auch Heiko Schulze. Nach den ersten Einweisungen von einem Choreographen für Kampftechniken an Hamburger Theatern erlernte er als Autodidakt weitere Kampftechniken. Dazu gehören Entwaffnungstechniken, die sich an Kampfsportarten wie Judo und Aikido anlehnen. Schulze analysierte akribisch Schwertkampfszenen aus Filmen in Zeitlupe. "Wir entwickeln selbst neue Arten, das Schwert zu halten." So kann der Anderthalbhänder auch gedreht werden, wobei der Kämpfer den Schwertgriff zum Abblocken oder Zuhauen benutzt.

Inzwischen hat der Norderstedter nach eigenen Worten mehr als 350 Schwertschaukämpfer ausgebildet - "vom Schüler bis zum Doktor." Sein Traum ist, mit einer "eigenen, kleinen Armee" auf einem Mittelalterfest aufzumarschieren.

Sicherheit steht beim Training und Schaukampf an erster Stelle. Bis auf Prellungen und blaue Flecken habe es noch nie Verletzungen gegeben, berichten auch der Alvesloher Ruge und Jan Sdorra aus Pinneberg. Die ausgebildeten Kämpfer schützen sich mit dicken Handschuhen. Und Anfänger, wie die Teilnehmer eines Seminars der VHS Bergedorf, die nach Norderstedt zum Mittelalterfest gekommen sind, schwingen statt Metallklingen dick umdämmte Besenstiele.

"Unsere Schaukampfschwerter können lebensgefährlich sein", sagt Trainer Schulze über die Schwerter, die in Tschechien gefertigt und auf den jeweiligen Besitzer angepasst werden. Die Schwertschaukämpfer seien eine "Gemeinschaft des Aufeinanderaufpassens". Der Norderstedter präsentiert den "Kämpferausweis". Wer ihn vorzeigen kann, darf mit der Gruppe der Norderstedter Schwertschaukämpfer in den Kampf ziehen. "Wie bei anderen Kampfsportarten auch, stoppen wir die Schläge vor dem Körper ab, wenn ein Unfall droht", erläutert Sdorra.

Blöde Sprüche angesichts seines ausgefallenen Hobbys? "Nein, die Reaktion besteht immer vor allem aus Neugier", sagt Jörg Ruge, der erzählt, er sei "schon seit Langem über die Mittelaltermärkte gezogen", bevor er vor zweieinhalb Jahren den Schwertschaukampf für sich entdeckte. Trainiert wird bei den "Profis" in der Regel zweimal wöchentlich. Mitmachen bei ihnen kann jeder, der über eine durchschnittliche Fitness verfügt, einen Anfängerkursus absolviert hat - und älter als 14 Jahre ist. Diese Art Kampftraining erfordere eine bestimmte "geistige Reife", so Schulze, "und ich habe die Erfahrung gemacht, dass ältere Erwachsene die Techniken schneller lernen." Wer sich für das Schaukämpfen interessiert, findet viele Infos im Internet: www.schwertschaukampf.de