Für sein Reihenhaus in Norderstedt hat der kernige Gentleman hart gearbeitet.

Norderstedt

Kerzengerade steht der Mann und lehnt sich an den Tresen seiner Kellerbar. Das blaue Jeanshemd lässt den Blick auf eine Goldkette frei, die Jeans sitzt hauteng und wirkt frisch gebügelt. Er erzählt lässig, mit klarer Stimme. Vor eineinhalb Jahren habe er ein Angebot bekommen, über das jeder Schauspieler hocherfreut gewesen wäre: Eine Hauptrolle in einem Film, Dreharbeiten in Georgien. "Ich habe nein gesagt, und zwar ohne zu zögern, und das habe ich bis heute nicht bereut." Braungebrannt, mit weißen Haarschopf und gepflegtem Schnauzbart - ein Hingucker für Frauen und ein kerniger Gentleman-Typ ist Werner Cartano auch heute noch. Kaum zu glauben, dass der Schauspieler im Ruhestand am Sonntag seinen 80. Geburtstag feiert.

Seit 30 Jahren lebt Werner Cartano mit seiner Frau Gerlinde (66) in Norderstedt: Verheiratet sind sie seit 38 Jahren, kennengelernt haben sie sich vor 40 Jahren. Ein Reihenhaus im Stadtteil Glashütte mit einer Weide direkt vor der Haustür - das ist ein Stück Lebensglück, für das der Schauspieler hart gearbeitet hat.

Mit vielen Größen hat er vor der Kamera oder auf der Bühne gestanden, mit namhaften Regisseuren zusammen gearbeitet, etlichen TV-Serien hat er Leben eingehaucht, ein großer Star aber ist er selbst nie geworden. "Ach wissen sie, es gibt da so viele Faktoren, die man nicht beeinflussen kann", sagt Werner Cartano. Einmal, am Theater in Baden-Baden, wo sich nach dem Krieg alle Größen der Film- und Theaterwelt versammelt hatten, war er für eine große Rolle vorgesehen, konnte und wollte sich jedoch nicht überwinden, mit dem Regisseur Zärtlichkeiten auszutauschen. Weg vom Fenster. Sein Nachfolger sah es offenbar lockerer und wurde ein vom Publikum verehrter Star. Überhaupt habe er gelegentlich Dinge gemacht, die nicht zum Vorteil waren. "Widerspruch zum Beispiel durfte sich nur ein Star wie Theo Lingen leisten, wenn man daneben steht, geht es nicht."

Aber auch so hat er sich durchgebissen, stand auf vielen Bühnen Deutschlands, war ein gefragter Darsteller beim Film und Fernsehen. Angefangen hat alles im zarten Alter von 15 Jahren, als er nach der Schule seine Schauspielausbildung begann. Die Begrüßung war eher unfreundlich: "Sie Pimpf, was wollen sie hier, sie sind doch viel zu jung", raunzte ihn eine Mitschülerin an, die auch erst 19 Jahre alt war. Aus der Feindschaft wurde Freundschaft: Noch heute telefoniert Werner Cartano mit der Kollegin von einst.

Der Krieg und die Kriegsgefangenschaft im Elsaß stoppten die schwungvoll gestartete Ausbildung. Aber danach ging es weiter. Zunächst als Ensemblemitglied an verschiedenen Bühnen, dann als freier Schauspieler. Rückblickend kann Werner Cartano von sich sagen, dass er sich glänzend verkauft hat. "Ich hatte in 40 Jahren als freier Schauspieler nie Leerlauf, war immer irgendwo engagiert und konnte meine Frau und mich ernähren." Dabei erwies er sich oft als knallharter Verhandler, der seine Gagenvorstellungen meistens durchdrücken konnte und manchmal auch Rollen ablehnen konnte. Immerhin reichte es denn ja auch, um sich vor 30 Jahren das Reihenhaus in der Müllerstraße zu kaufen.

Gespielt hat Werner Cartano mit Größen wie Theo Lingen, Hans Söhnker, Klaus Höhne, Gerlinde Locker. Über 30-mal arbeitete er mit TV-Regisseur Jürgen Roland zusammen, mit Ida Ehre spielte er an den Kammerspielen in Jean Anouilhs "Leocadia", zweimal Karl May in Bad Segeberg (1969, 1971). Wegen seiner permanenten Theaterengagements musste er etliche TV-Rollen absagen. "Auf der Bühne habe ich mich immer sauwohl gefühlt", sagt er. "Am liebsten habe ich komische und angeknackste Männer verkörpert."

Das war die eine Seite, aber es gab auch andere: "Die Vergnügungsspalte", "Sünde mit Rabatt" oder auch "Die fleißigen Bienen vom fröhlichen Bock" - Sex- oder Aufklärungsfilme, wie sie in den späten 60er-Jahren an der Tagesordnung waren. Dafür schämt sich Werner Cartano nicht, sie sind ein Teil seines Lebens. "Anstößiges habe ich nie gemacht", sagt er und klammert diese Zeit nicht aus: Im Keller hängen einige dieser Sexfilm-Plakate. Nicht gerne redet er allerdings über eine andere Variante seiner aktiven Zeit - als gefragter Werbedarsteller. Einige Spots liefen jahrelang im Fernsehen. "Ich konnte es nicht mehr sehen, aber es hat viel Geld gebracht."

Viel lieber denkt er an andere Rollen. Zum Beispiel an die als einer der Hauptdarsteller in "Die zwölf Geschworenen" im Altonaer Theater von 2004 bis 2006. Es war seine letzte große Rolle am Theater. Seitdem hat er mit seiner markanten Stimme noch in einigen Hörbuch-Produktionen mitgewirkt, um seine Karriere langsam ausklingen zu lassen. Heute kann sich Werner Cartano beruhigt zurücklehnen und den Lebensabend zusammen mit seiner Frau genießen. Reich geworden ist er nicht, aber ausreichend verdient hat er allemal. Das ist mehr als die meisten deutschen Schauspieler von sich behaupten können.