Der 47 Jahre alte Regisseur hat zwar nur einen Vertrag für diese Saison - aber wenn alles gut läuft, würde er auch verlängern.

Bad Segeberg

Donald Kraemer hat sich an diesem Probentag für alle Wetterlagen ausgerüstet. Graue Wolkenfetzen kündigen Schauer an. Das umfangreiche Regiebuch unter dem Arm, mit einem dicken Pullover und einer regenfesten Jacke steigt der 47-Jährige die leeren Ränge der Kalkbergarena in Bad Segeberg hinunter. Vor den fast fertigen Kulissen im sandigen Bühnenrund absolviert Dorkas Kiefer ihr morgendliches Reittraining, damit sie vom 27. Juni an in 72 "Schatz im Silbersee"-Aufführungen als Revolverheldin Jolene Blenter fest im Sattel sitzt.

Kraemer setzt sich in die Kulissen-Westernbar am Rande der Bühne vor eine Reihe Deko-Whiskyflaschen, blickt auf die Ränge für fast 8000 Zuschauer und erinnert sich an Besuche mit seiner Familie bei früheren Inszenierungen. "Whow, das möchte ich auch mal machen. Das ist eine große Sache" habe er damals gedacht. Nun sind es nur noch ein paar Tage, bis die Karl-May-Spiele mit wilden Pferderitten, Kämpfen, Schießereien und auch ein bisschen Romantik und Komik in ihre 57 Saison starten. Ein enger Zeitplan, der auch bei Kälte, Regen und Wind kaum eine Pause erlaubt.

"Ich habe riesigen Spaß", sagt Kraemer, der sich besonders darüber freut, statt einer "Theater-Guckkastenbühne" das komplette Rund des ehemaligen Steinbruchs mit Felswänden, Reitwegen, Indianerzelten, Saloons und allerlei Überraschungen bespielen zu können. "Das ist eine Mischung aus Theater und Filmproduktion." Und eine riesige Herausforderung für die Schauspieler, die bei einer Fernsehserie relativ kurz vor der Kamera in Aktion treten, hier aber fast zwei Stunden lang so präsent sein müssen, dass ihre Darbietung auch in der 30. Reihe noch ankommt.

Auch wenn Kraemers Vertrag nur für diese Saison gilt, weiß der 47-Jährige schon jetzt: "Wenn das hier gut läuft, möchte ich im nächsten Jahr auf dem aufbauen, was ich jetzt lerne. Ich würde wiederkommen" Die Zusammenarbeit mit dem Autor, dem Management, dem Stunt-Team und den Schauspielern laufe hervorragend. "Ich habe das Gefühl, hier wird versucht, alles möglich zu machen." Bei mancher Idee komme er zwar an Grenzen, aber für vieles fänden sich Lösungen. Er wolle die Karl-May-Spiele nicht neu erfinden, versichert der erfahrene Regisseur von Fernsehproduktionen (darunter Folgen von "Notruf Hafenkante" und "Rettungsflieger"). "Aber wir wollen schneller werden." Die Handlung wird in mehr Bilder unterteilt, kürzere Texte und mehr Bewegung haben, verrät er. "Der Schatz im Silbersee ist ja eine große Verfolgungsgeschichte durch den Mittleren Westen. Das wollen wir wiedergeben."

Ein paar Dinge dürfen aber nicht geändert werden, ist Kraemer überzeugt. Dazu gehört der Auftritt Winnetous (Erol Sander) mit dem langen Ritt durch die Zuschauerreihen, begleitet von unsterblicher Filmmusik. "Ich befürchtete, dass es langatmig wird, aber das stimmt nicht." Das Publikum sei ergriffen und blicke fasziniert dem Indianerhäuptling hinterher. Auch ein bisschen Comedy, speziell für die Kinder, gehört dazu. Karl-May-Spiele müssen Unterhaltung für die ganze Familie, für Kinder, Eltern und Großeltern bleiben.

Bei Kraemers Begeisterung und dem kurzen Anfahrtsweg, er wohnt in Henstedt-Ulzburg, könnte man meinen, er müsse sich um den Job gerissen haben. Hat er aber nicht. "Ich bin gefragt worden und war wirklich überrascht", beteuert der fast hühnenhaft wirkende Theaterwissenschaftler und schaut so, dass kein Zweifel zulässig ist. Praktisch ist das Engagement allemal. Frau und Kinder in der Nähe, das gibt es nicht immer. Zwei oder drei Monate Arbeit am Stück in Köln, Berlin oder Dresden muss die Familie auch aushalten ("so ist das als Freiberufler"). Immerhin leben auch die Schwiegereltern in der Gemeinde nördlich von Hamburg. "Die haben uns damals dahin gelockt", sagt Kraemer und macht sich an die Arbeit.

Die ersten Proben des Tages stehen an, während kühler Nordwestwind graue Wolken über den Rand des Kalkfelsens in Bad Segeberg schiebt.