Die Spanier von Schackendorf

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Helge Buttkereit

Pferdezucht: Andalusier aus dem Kreis Segeberg. Einmal im Jahr kommt ein spanischer Körmeister nach Schackendorf bei Bad Segeberg. Er begutachtet dann die Pferde aus der Zucht von Erwin G. Bruhns. Auch andere Halter der "Pura Raza Espanola" kommen mit ihren Tieren, um sie ins Zuchtbuch eintragen zu lassen.

Schackendorf. Custodio fällt auf. Das kleine spanische Hengstfohlen ist etwas Besonderes. Zwar gehören Pferde seiner Rasse in Schackendorf seit mehr als zehn Jahren zum Dorfbild, aber so eine Mutterstute hat das Gestüt "Eugassa Alt Emporda" von Erwin G. Bruhns noch nicht gesehen. Custodios Leihmutter ist eine graue, kräftige Isländerponystute. Das drei Monate alte Fohlen ist ihr bereits über den Kopf gewachsen. So zieht der kleine schwarze Hengst alle Blicke auf sich, als er mit seiner Mutter den Hänger verlässt. Auch wenn noch weitere Pferde darauf warten, vom eigens angereisten spanischen Gutachter, in der Fachsprache Körmeister genannt, begutachtet zu werden, Custudio steht für einen Moment eindeutig im Mittelpunkt.

"Seine Mutter ist bei der Geburt gestorben", erklärt seine Besitzerin Andrea Ahrens (38), die aus dem Kreis Cuxhaven stammt. Eine Nacht habe sie das Neugeborene gemeinsam mit ihrem Mann gefüttert, dann aber wurde es zum Fohlen-Notdienst bei Lüneburg gebracht.

Eine goldrichtige Entscheidung, denn bereits einen Tag später meldete sich Corinna Langer (32) aus Hagen bei Bad Bramstedt. Das Fohlen ihrer Isländer-Stute Tjull war bei der Geburt gestorben. Langer verfrachtete Tjull in den Hänger, fuhr nach Lüneburg und dort nahm sich die erfahrene Zuchtstute des verwaisten Custodios an. "Sie war verrückt auf ein Fohlen", so Langer. "Sie hängt jetzt sehr an ihm." Auch wenn der "Kleine" bereits jetzt Probleme hat, an das tief liegende Euter zu kommen, soll er noch bis November in Hagen bleiben. Andrea Ahrens betont: "Diese Leihmutter war ein Glücksgriff."

Sie will den kleinen Hengst später bei sich behalten, wenn er einmal ein prächtiges spanisches Reitpferd geworden ist. Vermutlich kann er dann auch für die Zucht eingesetzt werden, denn die Milch seiner isländischen Leihmutter und die Gesellschaft von sechs kleinen frechen Islandfohlen haben ihm gut getan.

Körmeister Leon Zorilla hat nichts an ihm auszusetzen. Als ausgewachsener Hengst muss Custodio allerdings noch einmal wiederkommen.

Das Zuchtbuch der Pura Raza Espanola, die hierzulande auch als Andalusier bekannt sind, wird in Spanien geführt. Da die eleganten Pferde in Deutschland und anderen europäischen Ländern viele Freunde haben, reist einmal im Jahr ein Körmeister durch die Lande und begutachtet Fohlen und Pferde jeweils auf einem der größeren Gestüte. Das Schackendorfer von Erwin G. Bruhns (62) gehört dazu. "Hier im Norden sind wir konkurrenzlos", sagt er nicht ohne Stolz in der Stimme. Zwar gebe es hier und da kleine Züchter, so viele Pferde wie er habe aber niemand. Zur Kör bringen die kleineren Halter ihre Pferde aus ganz Norddeutschland, aber auch aus Dänemark nach Schackendorf.

Bruhns begann seine Hobbyzucht vor elf Jahren, als seine alten Holsteiner in die Jahre gekommen waren. Er habe sich mehrere Pferderassen angeschaut, hängen geblieben ist er bei den Spaniern. "Ich bin dann sechs Wochen in Spanien gewesen, habe eine Stute gekauft und die gedeckt nach Deutschland gebracht", erzählt er. Mittlerweile wurden über 20 Fohlen in der kleinen Gemeinde bei Bad Segeberg geboren. Bruhns hält zwei Hengste, zu denen auch auswärtige Stuten zum Decken gebracht werden. "Ich erfreue mich gerne an den schönen Bewegungen", sagt der 62-Jährige mit wettergegerbten Gesicht. Andere Menschen schwärmten für Autos, ihm hätten es eben die Pferde angetan.

Die Freude an den Pferden ist ihm anzusehen. Auch als er für kurze Zeit einen Sprössling seiner Zucht halten muss. Caruso ist zwar wild, aber auch wenn er an der Trense zerrt und durch die Gegend hüpft, ist ihm der Anmut seiner Rasse anzusehen. Dies beeindruckt auch Leon Zorilla. Auch wenn der Körmeister, als er den fünfjährigen Hengst begutachtet, mehrfach zur Seite springen muss. Caruso erfüllt mit seiner Körperhöhe, dem Brustumfang und vor allem seiner Abstammung alle Anforderungen der Pura Raza Espanola.

Als er mit der Begutachtung fertig ist, fallen der jetzigen Besitzerin Manuela Fait (35) aus Hamburg viele Steine vom Herzen: Caruso wird in Spanien eingetragen und darf seine Gene offiziell vererben. "Das war alles so aufregend, auch für ihn", sagt sie strahlend und verteidigt ihren wilden Hengst. "Normalerweise ist er ganz lieb." Aber für einen ausgewachsenen Andalusier-Hengst ist so eine Körung schließlich etwas Besonderes. Anders als die erfahrene isländische Zuchtstute Tjull - deren Fohlen jedes Jahr vorgeführt werden - erlebt Caruso so etwas erst zum zweiten Mal.

Auch Tjull ist zeitweise nicht zu bremsen. So große, stattliche und elegante Hengste sieht sie sonst nie. "Ach was", wiegelt ihre Besitzerin Corinna Langer ab, "die Isländerhengste sind doch viel schöner."

Informationen im Internet unter der Adresse www.pura-raza-espanola.com.

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