Telefonaktion: Vorsorgevollmacht und Betreuungsrecht

"Bringen Sie Ihre eigenen Gedanken zu Papier"

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Bernd-Olaf Struppek

Viele Menschen sind nur oberflächlich über die Gesetzeslage informiert. Wichtige Begriffe werden verwechselt.

Norderstedt. Das Interesse war riesengroß. Beinahe im Minutentakt gingen am Dienstag die Anrufe in der Redaktion der Norderstedter Zeitung ein, die in Kooperation mit dem Amtsgericht Norderstedt vier Expertinnen und Experten zu den Themen Vorsorgevollmacht und Betreuungsrecht versammelt hatte.

Und dem Fachleute-Quartett - Betreuungsrichterin Juliane Stoltenberg, Rechtspflegerin Judith Aßmann (beide Amtsgericht Norderstedt), Rechtsanwalt und Notar Horst Schumacher und Gerd Spelling (Leiter Kreis-Betreuungsbehörde) - wurde schnell bewusst: Fundierte Aufklärung tut not. Denn viele Menschen sind nur oberflächlich informiert; wichtige Begriffe werden verwechselt.

Ein Großteil der Anrufer hatte Fragen zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Mit einer Vorsorgevollmacht bestimmt der Vollmachtgeber eine Person seines Vertrauens, sich in seinem Sinne um bestimmte Angelegenheiten zu kümmern - für den Fall, dass der Vollmachtgeber dazu nicht mehr in der Lage ist, beispielsweise im Krankheitsfall oder nach einem Unfall.

Viele Menschen stellen eine solche Vorsorgevollmacht offenbar mit Hilfe von Vordrucken aus, die es auch im Internet zu finden gibt. Von Rechtsanwalt Schumacher aus Henstedt-Ulzburg erfuhren mehrere Anrufer am Expertentelefon, dass eine Vorsorgevollmacht immer dann notariell bearbeitet und beglaubigt werden muss, wenn es darin auch um Immobilien und/oder Grundbesitz des Ausstellenden geht.

Anders als häufig (fälschlicherweise) zu lesen: Es besteht keine Vorschrift, eine Vorsorgevollmacht in regelmäßigen Abständen neu zu unterschreiben beziehungsweise beglaubigen zu lassen. Betreuungsrichterin Juliane Stoltenberg jedoch riet einer Anruferin, eine Vorsorgevollmacht von möglichst mehreren Personen unterschreiben zu lassen beziehungsweise mehrere Personen über deren Existenz zu informieren.

Durch eine Patientenverfügung (häufig in Verbindung mit einer Vorsorgevollmacht) legt der Aussteller fest, wie er in bestimmten Situationen ärztlich behandelt (oder nicht behandelt werden) wird oder auch, wer an seiner Stelle über lebenserhaltende Maßnahmen bestimmt. "Bringen Sie Ihre eigenen Gedanken zu Papier. Überlegen Sie, was genau Sie geregelt haben möchten", sagte zu diesem Stichwort Betreuungsbehörden-Leiter Spelling zu einer älteren Dame. Demnach sollte der Inhalt der Patientenverfügung auch mit dem Hausarzt abgestimmt werden.

Die Betreuungsbehörde des Kreises Segeberg bietet übrigens jeweils donnerstags von 15 bis 17 Uhr in der Beratungsstelle für ältere Bürger in Norderstedt (Heidbergstraße 28) eine kostenlose Beratung zum Thema Betreuung und Vorsorgevollmacht an.

Ein Anrufer schilderte den Fall einer Seniorin, die einen Schlaganfall erlitten habe und nicht mehr in der Lage sei, den notwendigen Verkauf ihres Hauses zu regeln. Judith Aßmann vom Amtsgericht Norderstedt erläuterte, dass in diesem Moment die Einrichtung einer Betreuung angeregt werden könne. Das Gericht prüfe dann, auch in Zusammenarbeit mit Gutachtern, ob ein Betreuer bestellt werden müsse. Dies kann ein Angehöriger sein - ist es aber eben nicht automatisch. Um das Verfahren in Gang zu setzen, bedürfe es einzig eines formlosen Anschreibens an das Gericht, so die Expertin.

Im Kreis Segeberg wird annähernd die Hälfte von Betreuungen von Angehörigen des Betroffenen übernommen. Gut ein Viertel der Fälle übernehmen Berufsbetreuer, die anderen ehrenamtliche Betreuer beziehungsweise Aktive von Betreuungsvereinen.

Eine Dame jenseits der 80 schilderte, sie habe in eine Vorsorgevollmacht ihren gleichaltrigen Mann und die Tochter eingesetzt. "Und die Tochter kommt bei uns überall ran", sagte die Anruferin. Genau richtig, bewertete Expertin Juliane Stoltenberg. Häufig wüssten selbst Angehörige nicht, wo sich wichtige Unterlagen befänden. Was vielfach auch vergessen werde, sei eine Vollmacht für die Bank.

Vielfach besteht der Irrglaube, Ehepartner beziehungsweise die Kinder seien automatisch in der Lage und im Recht, für einen Angehörigen zu handeln. Dies ist aber nicht so. Einzig die Eltern minderjähriger Kinder haben über das Sorgerecht die Befugnis, im Sinne der Kinder umfassende Entscheidungen zu treffen.

"Aber ich habe doch meine Erben", sagte ein Anrufer. Diese aber könnten erst im Todesfall zum Beispiel über Haus und Grund verfügen, erläuterte Rechtsanwalt Schumacher.


Apropos Erben: Für Donnerstag, 12. März, laden die Verantwortlichen des Amtsgerichts Norderstedt und des Anwaltvereins Norderstedt erneut zu einer öffentlichen Diskussions- und Informationsveranstaltung ein. Von 19 Uhr an lautet im Saal F des Amtsgerichts (Rathausallee 80) das Thema Testament und Erbvertrag. Die juristischen Experten werden zum Beispiel auch die Frage beantworten "Welche Formen eines Testaments gibt es?" Auch der Unterschied zwischen Testament und Erbvertrag wird aufgezeigt.

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