Landwirte setzen ihre Proteste gegen die niedrigen Preise fort. Wie groß die Existenzangst in der Branche ist, berichtet Volker Humfeld aus Fuhlendorf. Er öffnet seine Bücher.

Die Geschichte des Bauernhofs reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Die Wände in der Küche sind mindestens 200 Jahre alt. Beim Tapezieren in der Diele hat Bauer Volker Humfeld uraltes Fachwerk entdeckt - Generationen haben hier von der Landwirtschaft gelebt. Der 44-Jährige hat immer gehofft, dass eines seiner Kinder die Familientradition fortsetzt und ebenfalls Bauer in Fuhlendorf wird. Doch sicher sind Humfeld und seine Frau Ulrike (41) nicht mehr, ob es zu einem weiteren Generationswechsel auf dem Gehöft kommen wird. Humfeld ist einer von vielen Milchbauern in Deutschland, die um ihre Existenz fürchten. "Wenn es bei einem Milchpreis von weniger als 20 Cent pro Liter bleibt, bedeutet das für uns das Aus", sagt der Fuhlendorfer.

50 Kühe stehen in seinem Stall. Sie geben pro Jahr rund 400 000 Liter Milch. Das bedeutet 60 Stunden Arbeit pro Woche für den Bauern, 30 für seine Frau. Ein Pole arbeitet darüber hinaus alles weg, was das Ehepaar nicht schafft. Der Aufwand für den Betrieb ist enorm, doch seit einem Jahr lohnt sich der Aufwand nicht mehr: Der Hof schreibt rote Zahlen.

Humfeld öffnet die Bücher. Der Hof macht 5000 bis 6000 Euro Minus pro Monat. Wenn die Familie nicht nebenher noch auf 50 Hektar Ackerbau betreiben würde, wäre sie demnächst pleite. Zwölf Monate könnte es maximal dauern, wenn sich der Milchpreis nicht ändert. "Eigentlich möchte ich über das Aus gar nicht nachdenken", sagt der Landwirt. "Doch ich komme als Unternehmer nicht drum herum." Dass manche Kollegen früher aufgeben müssen, die sich in der Hochpreisphase im Sommer 2007 für neue Gebäude und Maschinen hoch verschuldet haben, ist für Humfeld kein Trost. Damals zahlten manche Meiereien 47 Cent pro Liter, heute bekommt der Fuhlendorfer bei einem milchverarbeitenden Betrieb in Wismar 19,5 Cent. Die Meiereien in Barmstedt und in Vioel an der dänischen Grenze bieten gerade mal 18 Cent.

Dagegen stehen die Ausgaben: Zwölf bis 16 Cent muss ein Bauer ins Futter investieren, um einen Liter zu produzieren. Und die Preise steigen: Im August 2007 zahlte Humfeld für 100 Kilo Kraftfutter 19,75 Euro. Jetzt beträgt der Preis 26,90 Euro für 100 Kilo eines weniger hochwertigen Produktes. Humfeld muss auch für das Altenteil seiner Mutter sorgen, die 73-Jährige wohnt nebenan. Hinzu kommen die steigenden Dieselpreise für die beiden Trecker und den Radlader auf dem Hof.

Daneben steht das Familienauto, die Familie fährt einen zwölf Jahre alten Audi. Eine Woche Ski-Urlaub liegt in diesem Jahr hinter dem Paar und den beiden Kindern (vier und fünf Jahre). Dass noch eine zweite Woche Ferien drin ist, glaubt der Landwirt nicht.

Und wie geht es weiter? Humfeld und der Bund deutscher Milcherzeuger (BDM) fordern ein Ende der Überproduktion, sodass ein Literpreis bis zu 40 Cent erzielt werden kann. Der Bauer ist jedoch skeptisch, dass es in den kommenden zwölf Monaten 30 Cent sein könnten. Die Folge: "Es wird europaweit zu einem Lieferstreik kommen."