Jeden Morgen büffeln die schulpflichtigen Jungen und Mädchen Mathe, Deutsch und andere Fächer. Die Hausaufgaben kommen per E-Mail.

Die neun Jahre alte Selina grübelt über einem Logikspiel für Grundschüler. Daneben sitzt die 15 Jahre alte Annkathrin, die sich auf ihre Matheübungen aus der neunten Klasse des Gymnasiums konzentriert. Die 16 Jahre alte Laura bereitet sich auf die Prüfungen vor. Demnächst will sie ihren Realschulabschluss packen. Gemeinsam sitzen die Mädchen in einem Klassenzimmer, beschäftigen sich mit völlig unterschiedlichen Themen, haben jedoch eines gemeinsam: Sie sind krank und müssen Tage oder Wochen im Klinikum Bad Bramstedt verbringen. Außer Therapien steht morgens stets Klinikschule auf dem Programm.

Zehn Kinder unterschiedlicher Schulen sitzen an den Tischen. "Wie früher in einer Dorfschule", sagt Schulleiterin Kristine Quensell, die sich seit fast 20 Jahren gemeinsam mit zehn Lehrern des Gymnasiums und der Bramstedter Realschule um die schulpflichtigen Patienten des Klinikums kümmert. Die Lehrer haben sich freiwillig gemeldet, der Unterricht im Klinikum gehört zum Dienstplan. Quensell: "Alle Schulformen sind hier präsent." Eine Hälfte des Arbeitstages unterrichtet sie in der Klinikschule, die andere Hälfte in der Realschule.

Den Unterrichtsstoff liefern die Schulen der Kinder. Täglich kommen per Fax oder E-Mail Aufgaben, Übungen und Klassenarbeiten aus ganz Deutschland in der Klinikschule für die jungen Patienten an. Eltern oder Mitschüler senden die aktuellen Hausaufgaben. "Es wird parallel unterrichtet, was die Heimatschule macht", sagt die Schulleiterin. Klassischer Unterricht wird jedoch wegen der vielen Unterschiede zwischen den Schulformen nicht erteilt. Sogar Prüfungen darf die Klinikschule abnehmen - theoretisch sogar das Abitur. Bisher blieb es jedoch bei einem Hauptschulabschluss.

Selina besucht die dritte Klasse einer Grundschule in Neumünster. Daran, dass sie mit mehreren großen Mädchen in einem Klassenzimmer sitzt, müsse sie sich erst gewöhnen, sagt die Neunjährige. Dass sie auch im Krankenhaus zur Schule muss, wusste sie schon vor der Reise ins Klinikum. Selina hat ihre Hefte und Bücher mitgebracht.

"Manchmal ist es schwer, sich zu konzentrieren, wenn man Schmerzen hat", sagt Mareike (16) aus Lüneburg, die an den Matheaufgaben arbeitet, die ihr Nachhilfelehrer nach Bad Bramstedt geschickt hat. Sie leidet an einer quälenden Form der Schuppenflechte, die Entzündungen kommen in Schüben. Sechs Mal war sie schon im Klinikum, einmal dauerte die Behandlung zwölf Wochen.

Die gleichaltrige Maike aus Itzehoe kann sich nur auf Unterarmstützen fortbewegen. Auch das Sitzen fällt ihr schwer. Sie hat entzündliches Rheuma und ist zum 30. Mal Patientin auf der Kinderstation des Klinikums. Zu Hause besucht sie die 8. Klasse einer Hauptschule. Später möchte Maike im Einzelhandel arbeiten, doch ein Praktikum in einem Geschäft musste sie wegen der Schmerzen abbrechen.

"Die Kinder müssen nur in die Klinikschule, wenn sie aufnahmefähig sind", sagt Schulleiterin Quensell. Manchmal unterrichten sie oder ihre Kollegen am Bett. "Hier muss man als Lehrer sehr sensibel sein." Jeden Tag versuche sie einzuschätzen, wie sich die Kinder fühlen. Die Belastungen sind groß: Die Schüler im Krankenhaus sind nicht nur krank, sondern auch weit weg von der Familie und den Freunden. Einmal pro Woche sitzen die Lehrer mit den Ärzten und den Physiotherapeuten zusammen und besprechen, wie es den Kindern geht.

"Ohne die Krankheit wäre ich in der Schule besser", sagt Annkathrin, die bereits als Baby entzündliches Rheuma bekam. Doch die 15-Jährige lernt, um sich trotz der Krankheit einen Traum erfüllen: Sie will nach dem Abitur Medizin studieren und Orthopädin werden.