In unserer Firmenserie “Fit in die Zukunft“ stellen wir Ihnen heute die AKN in Kaltenkirchen vor. Dort sind neue Elektrotriebwagen geplant.

Norderstedt. Die Frühschicht beginnt um 4 Uhr, die Nachtschicht endet um 2 Uhr. "Daran kann man sich nicht richtig gewöhnen", sagt Triebfahrzeugführer Rainer Duske. Doch die unangenehmen Arbeitszeiten bei der AKN nimmt der 32-Jährige in Kauf, seinen Job macht er gern. Am liebsten fährt er auf der Stammstrecke A1 der Kaltenkirchener Eisenbahngesellschaft, die von Hamburg über Henstedt-Ulzburg nach Kaltenkirchen führt. "Da ist am meisten los", sagt Duske. "Besonders im Berufsverkehr."

Er gehört zu den 69 Lokführern des Unternehmens, das 290 Menschen in der Region beschäftigt. Viel los ist nicht nur auf den Bahnsteigen, sondern auch in der Chefetage im Kaltenkirchener Unternehmenssitz, in der die Zukunft der AKN geplant wird. Hier hat seit März der 46-jährige Wolfgang Seyb als Allein-Vorstand der Aktien-Gesellschaft, die je zur Hälfte den Bundesländern Schleswig-Holstein und Hamburg gehört, das Sagen. An neuen Projekten und enormen Investitionen mangelt es nicht.

90 bis 100 Millionen Euro werden die neuen Elektrotriebwagen kosten

Zu den größten Vorhaben gehört der Verkehr auf den Strecken von Hamburg nach Wrist und Itzehoe. Die 50-prozentige AKN-Tochter Nordbahn hat die Ausschreibung für den Nahverkehr auf den Linien gewonnen, auf der bislang die Regionalbahnen der Deutschen Bahn unterwegs sind. Ende 2014 löst die Nordbahn den Branchenriesen ab.

Gemeinsam mit der zweiten Gesellschaft der Nordbahn namens Benex muss die AKN ein Projekt schultern, das zu den größten in ihrer Firmengeschichte gehört: 90 bis 100 Millionen werden die neuen Elektrotriebwagen kosten, die auf den Strecken nach Wrist und Itzehoe verkehren werden. Pro Jahr werden die Züge mit dem charmanten Namen FLIRT ("Flinker innovativer Regionaltriebwagen") rund 1,7 Millionen Kilometer zurücklegen. Die Nordbahn plant die Einstellung von 60 neuen Mitarbeitern.

Schon jetzt rollt die Nordbahn auf den Strecken von Bad Oldesloe über Bad Segeberg und Neumünster nach Büsum. "Die AKN und die Benex sind zwei Partner, die sich gut ergänzen", sagt AKN-Chef Seyb. Sein Unternehmen mit eigener Werkstatt ist regional verwurzelt. Die Mitarbeiter kennen sich im Norden aus. Die Benex, die der Hamburger Hochbahn gehört, arbeitet im gesamten Bundesgebiet und steuert seine überregionalen Erfahrungen bei. Weitere 50 Millionen investiert die AKN in neue Dieseltriebwagen, die ab 2015 im eigenen Streckennetz verkehren sollen. Die Fahrzeuge sollen mehr als 40 Jahre alte Modelle aus dem AKN-Fuhrpark ablösen. "Das sind hohe Kosten", räumt Seyb ein. "Aber dafür hält ein Triebwagen auch länger als ein Autobus." Die neuen Triebwagen sollen deutlich mehr Komfort bieten. Sie sind leise, barrierefrei für Rollstühle und Kinderwagen und klimatisiert.

Mit der Anschaffung kommt die AKN alten Forderungen von Fahrgästen und Verkehrsexperten nach, die den bestehenden Fuhrpark schon lange nicht mehr für zeitgemäß für den Nahverkehr halten.

Ob ein weiterer großer Wunsch in Erfüllung geht, weiß Seyb allerdings nicht. Bereits seit Jahren diskutieren Politiker über eine strombetriebene S-Bahn-Verbindung von Hamburg nach Kaltenkirchen, die auf der A1 verlaufen könnte. Noch sind jedoch keine endgültigen Entscheidungen gefallen.

Seyb geht davon aus, dass im Herbst das Ergebnis einer Studie über das Kosten-Nutzen-Verhältnis vorliegt. Gutachter versuchen derzeit, möglichst alle Faktoren zu berechnen und lassen dabei nicht einmal die Verkehrsunfälle aus, die ausbleiben würden, wenn Pendler vom Auto auf die Bahn umsteigen. Fällt das Gutachten zugunsten der S-Bahn aus, sind Fördermittel aus Berlin für das Großprojekt zu erwarten. Die Elektrifizierung der Strecke Hamburg-Kaltenkirchen und die Verlängerung der Bahnsteige würden mit 50 Millionen Euro zu Buche schlagen. Die gleiche Summe wäre für die Anschaffung moderner S-Bahnzüge fällig.

Seyb betont die vielen Vorteile einer S-Bahn gegenüber den heute bestehenden Verbindungen. So entfalle beispielsweise für die Fahrgäste, die nach Hamburg fahren, das Umsteigen in Eidelstedt. "Das ist vielen Menschen ein Dorn im Auge", sagt Seyb.

Der AKN-Vorstand weiß allerdings auch, dass die S-Bahn nach Kaltenkirchen nicht oben auf der Prioritätenliste der Verkehrsprojekte im Norden steht. Die Bundesländer Hamburg und Schleswig-Holstein sind sich vielmehr einig, dass zunächst die S-Bahn von Hamburg nach Bad Oldesloe gebaut werden soll.

Sollte irgendwann die S-Bahn den Kreis Segeberg mit Hamburg verbinden, wäre die Anschaffung der neuen Dieseltriebwagen trotzdem nicht überflüssig gewesen, sagt Seyb. Auch auf den Nebenstrecken von Ulzburg-Süd nach Elmshorn und nach Norderstedt werden in den kommenden Jahre neue Fahrzeuge benötigt.

Ebenso offen wie die Entscheidung über die S-Bahnverbindung ist auch der seit Jahren diskutierte Verkauf der AKN. Seybs Haltung dazu ist entspannt. "Die AKN wird es immer geben", sagt er. Sollte irgendwann ein neuer Eigentümer kommen, werde die Übernahme nicht zwangsläufig spürbar sein. Außerdem habe sich die neue Koalition in Kiel festgelegt, dass die Infrastruktur des Unternehmens in öffentlicher Hand bleibe. Gespräche der Landesregierungen über dieses Thema erwartet Seyb im Herbst.

Viele jüngere Menschen verzichten auf das Statussymbol Auto

Die Infrastruktur gehört ebenfalls zu den zukunftsträchtigen Standbeinen des Unternehmens. Dazu zählen zum Beispiel die Strecken und Bahnhöfe sowie die Werkstatt und Signaltechnik, die zunehmend von anderen Eisenbahnunternehmen genutzt werden. In der Werkstatt in Kaltenkirchen werden regelmäßig Züge von Unternehmen aus dem gesamten Bundesgebiet gewartet und repariert.

"Ich sehe für die AKN gute Entwicklungsmöglichkeiten", sagt Seyb. Öffentlicher Nahverkehr gehöre zu den Branchen mit Zukunft, da immer mehr ältere Menschen reisen und jüngere auf das Statussymbol Auto verzichten werden. Auch der neue Vorstand fährt häufig von seinem Wohnort Kiel mit der Bahn zur Arbeit. Seyb: "Dann habe ich einen Chauffeur und kann in Ruhe meine Akten lesen." Auf dem Abschnitt zwischen Kaltenkirchen und Neumünster trifft er Rainer Duske oder einen seiner Kollegen. Man kennt sich, man grüßt sich. "Hier geht es fast familiär zu", sagt Seyb.