Immer mehr Lehrstellen bleiben unbesetzt. Nur wenige Schulabgänger haben Interesse an Ausbildungsberufen in der Informatikbranche.

Kreis Segeberg. Das iPad, das Smartphone, die Spielkonsole oder der Laptop sind unverzichtbare Utensilien zur Freizeitgestaltung eines jeden Schülers. Dieser selbstverständliche Umgang mit der modernen Kommunikationstechnik soll für die meisten aber nicht zum Beruf werden: Es gibt in diesem Jahr nur wenig Schulabgänger, die sich für einen Beruf in der IT-Branche interessieren. Wer sich allerdings entschließt, eine Ausbildung in der Informatikbranche zu beginnen, hat gute Chancen, einen Platz zu bekommen. So wie in fast allen anderen Berufszweigen gibt es mehr Lehrstellen als Bewerber. Im Bereich Informatik werden im Kreis Segeberg 27 Ausbildungsplätze angeboten, drei wurden bisher nur besetzt.

"Es ist eine gute Situation für Schulabgänger, die demnächst eine Ausbildung beginnen wollen", sagt Andrea Julke, Sprecherin der Agentur für Arbeit in Neumünster. "Für die Schüler ist es noch entspannter als im vergangenen Jahr." Das heißt: Die Schere zwischen Angebot und Nachfrage ist noch weiter auseinander gegangen. Vor zehn Jahren wäre eine solche Situation kaum denkbar gewesen: Damals gab es viele Schüler, die Auffangmaßnahmen der Arbeitsämter beginnen mussten, weil sie keinen Ausbildungsplatz finden konnten. Im Bereich der Arbeitsagentur Kaltenkirchen, zu der auch Henstedt-Ulzburg gehört, waren am 31. Mai von 384 ausgeschriebnen Ausbildungsstellen noch 202 unbesetzt. Ähnlich sieht es auch in den Bezirken Norderstedt und Bad Segeberg aus.

Nach den Berechnungen der Industrie- und Handelskammer Lübeck (IHK) kommen derzeit auf einen Bewerber 1,3 freie Ausbildungsstellen. Viele Firmen und Betriebe haben ihre Erwartungen angesichts dieser Situation offenbar zurückgesteckt. "Immer mehr Unternehmen sind bereit, Bewerbern eine Chance zu geben, die sie noch vor einigen Jahren auch nicht annähernd in Erwägung gezogen hätten", sagt Ulrich Hoffmann, Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung bei der Lübecker IHK.

Viele Unternehmen beklagen die mangelnde Ausbildungsreife

Davon sind im positiven Sinne Schüler mit schlechteren Zeugnisnoten betroffen, aber auch Schüler mit Realschulabschluss, die bis vor Kurzem bei den Kreditinstituten keine Chance auf einen Ausbildungsplatz hatten. Allerdings: "Viele Unternehmen beklagen immer noch die mangelnde Ausbildungsreife der Lehrlinge", sagt Hoffmann.

Das haben auch viele Handwerksbetriebe festgestellt. Sie weisen schon seit etlichen Jahren auf das rückläufige Niveau in der Allgemeinbildung und des allgemeinen Verhaltens der Schüler hin. Nach Ansicht von Karsten Bruhn, dem stellvertretenden Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Mittelholstein, zu der auch die Betriebe im Kreis Segeberg gehören, werden etliche Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben, weil viele Bewerber eine mangelnde Qualifikation mitbringen. Zum jetzigen Zeitpunkt haben im Kreis Segeberg 185 Schüler einen Ausbildungsvertrag mit einem Handwerksbetrieb abgeschlossen. Bis August werden aber noch einige dazu kommen. Im vergangenen Jahr wurden von der Kreishandwerkerschaft Ende Mai 170 Verträge gezählt.

Fleischereibetriebe verzeichnen starke Rückgänge

Besonders gefragt sind Ausbildungen zum Tischler oder zum Kfz-Mechatroniker. Starke Rückgänge verzeichnen die Fleischereibetriebe und überraschend auch die Sanitär-, Heizung- und Klimabetriebe. Warum das so ist, weiß auch die Kreishandwerkerschaft nicht.

Abschließende Zahlen über Ausbildungsverträge gibt es derzeit nicht, weil das Bewerbungs- und Einstellungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist. Bis jetzt wurden im Kreis Segeberg zwei Ausbildungsverträge mehr als zum selben Zeitpunkt im vergangenen Jahr abgeschlossen. Konkret: Am 31. Mai hatten 405 Schulabgänger quer durch alle Schulbereiche einen Ausbildungsvertrag in der Tasche. Bis zum Beginn der Ausbildung am 1. August oder 1. September werden es nach den Schätzungen der Industrie- und Handelskammer etwa 920 Verträge sein.

Die Situation auf dem Ausbildungsmarkt hat sich zwar stark verändert, die Berufswünsche der Schulabgänger aber sind seit zwei Jahrzehnten praktisch gleich geblieben. Nach den Feststellungen der Arbeitsagenturen Neumünster und Elmshorn wollen die meisten Jugendlichen den Beruf des Einzelhandelskaufmanns oder der Verkäuferin lernen. Dann folgen Bürokaufmann, medizinische Fachangestellte, Kfz-Mechatroniker für Pkw, Kaufmann im Großhandel, Fachlagerist, Industriekaufmann, Friseurin und Tischler.