In unserer Firmenserie “Fit in die Zukunft“ stellen wir Ihnen heute den TÜV Nord in Norderstedt vor. Jede Woche werden Hunderte Autos untersucht.

Norderstedt. Volker Wetzig sitzt in seinem Peugeot 207 Cabrio und schaut auf die Uhr. "Fünf Minuten noch", denkt er "dann müsste sich das Hallentor öffnen." Der U-Bahnfahrer aus Norderstedt hat einen Termin beim Technischen Überwachungsverein (TÜV) in Glashütte. "Mein Auto ist erst drei Jahre alt", sagt Wetzig. "Ich hoffe, der Prüfer findet keine Mängel."

Um Punkt 8 Uhr geht das Tor hoch. Prüfingenieur Bernd Siewert, 56, wird den Peugeot unter die Lupe nehmen. Seit 18 Jahren arbeitet er beim TÜV Nord, und er findet in der Regel alle Mängel.

Auch dieses Mal geht er systematisch vor. Erst die Abgas-Sonderuntersuchung, dann die Scheinwerfer-Einstellung, Scheibenwischer, Motorraum, Reifen, Bremsen, Auspuff, Achsen - alles ist okay. Zum Schluss kontrolliert Siewert sogar noch im Handschuhfach den Knopf zur Deaktivierung des Beifahrer-Airbags. Im Falle eines Falles könnte so das Leben eines Kleinkindes geschützt werden.

Ein mit Bauschaum verkleidetes "Kunst-Auto" fiel bei der Prüfung durch

Nach einer knappen halben Stunde steigt Bernd Siewert aus der Grube. "Alles in Ordnung", sagt er und klebt die blaue Plakette mit der Jahreszahl 2014 auf das hintere Nummernschild des Peugeot 207. Volker Wetzig ist erleichtert, zahlt an der Kasse 77,70 Euro und fährt los.

Nicht jeder kommt so billig davon. Stationsleiter Fred Timm, 44, seit zwölf Jahren beim TÜV, hat schon viel erlebt. "Eines Tages kam ein Mann, der sich als freischaffender Künstler vorstellte, zur Hauptuntersuchung. Sein Auto war über und über mit Bauschaum verkleidet und sah aus wie ein Ufo. Der TÜV war abgelaufen, eine Betriebserlaubnis hatte das Fahrzeug auch nicht. Trotzdem habe ich den Wunsch des Mannes erfüllt und alles überprüft. Die Plakette erhielt er nicht, doch er fuhr weg. Wenig später hat ihn die Polizei angehalten und sein Auto stillgelegt."

Jede Woche werden Hunderte Autos unter die Lupe genommen

Fred Timm hat über der zweiten Grube ein Fahrzeug mit Anhänger geprüft und keine Mängel festgestellt. Jetzt sitzt er wieder an seinem Schreibtisch und sortiert einen Haufen TÜV-Berichte. Pausenlos klingelt das Telefon. Ein Mann fragt nach einem Termin für eine Spezialabnahme. Er hat sein Auto tiefergelegt und will den Eigenbau begutachten lassen. Zwei Wochen muss er warten. "Wir sind zurzeit nur drei Prüfer", erklärt Timm. "Jede Woche untersuchen wir hundert terminierte Fahrzeuge und noch einmal hundert, deren Besitzer ohne Anmeldung herkommen. Das schlaucht ganz schön." Er ist gespannt, ob die für Juli angekündigte, verschärfte Verordnung für Hauptuntersuchungen tatsächlich in Kraft treten wird.

Thorsten Schreiber, 36, seit Dezember Regionalleiter TÜV Nord Mobilität, weiß die Einsatzbereitschaft seiner 110 Mitarbeiter zu schätzen. Ihr Aufgabenfeld ist groß: In Norderstedt und bei den Autowerkstätten, mit denen sie vertraglich verbunden sind, prüfen sie Autos, Lastkraftwagen, Campingwagen, Anhänger und Motorräder. Außerdem testen sie Führerscheinanwärter in Theorie und Praxis.

Regionalleiter Schreiber, zuständig für acht Stationen in Hamburg, Kreis Pinneberg und Kreis Segeberg, steht derzeit vor einem großen Problem: "Wir suchen dringend Prüfingenieure, Fachrichtung Fahrzeug- und Maschinenbau", klagt er. "Die stehen auch bei großen Autokonzernen wie VW und Mercedes, außerdem auch beim Flugzeugbauer Airbus auf der Wunschliste. Wir zahlen gutes Geld für gute Arbeit, aber nicht immer können wir, was die Gehaltsangebote für Ingenieure betrifft, mithalten."

Der studierte Betriebswirt, wohnhaft in Hamburg-Winterhude, arbeitete sieben Jahre im Management des Unternehmens Detlef Louis (Motorrad und Freizeit) und fünfeinhalb Jahre beim ADAC. Eines Tages sprach ihn telefonisch ein Headhunter an und ebnete ihm den Weg zu seinem neuen Arbeitgeber in Norderstedt.

Auf der Suche nach Fachkräften ist Diplomkaufmann Schreiber vor Kurzem fündig geworden. "Zum ersten Mal haben wir eine Frau verpflichtet", sagt der Regionalleiter. Seit dem 1. März arbeitet die 25 Jahre alte Hamburgerin Dominique Herceg beim TÜV in Norderstedt.

Die erste Ingenieurin freut sich auf ihren Job in Glashütte

Sie hat an der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg sieben Semester Fahrzeugbau studiert und sich erfolgreich beworben. Leicht wird es für sie nicht: Wie jeder andere Neuling muss sie sich einer acht Monate dauernden Ausbildung unterziehen. Sie begleitet alle Prüfer zu ihren Terminen, schaut bei den Hauptuntersuchungen den Kollegen über die Schulter und sammelt dabei wertvolle praktische Erfahrungen.

Bevor sie zur Sachverständigen "befördert" wird, folgt ein weiteres Jahr Spezial-Ausbildung. "Ich freue mich sehr auf diese Zeit, denn mit dem Job beim TÜV Nord in Norderstedt hat sich für mich ein beruflicher Traum erfüllt", sagt sie.

Thorsten Schreiber sucht derweil weiter nach jungen Ingenieuren. "Vielleicht finde ich welche bei der Hamburger Jobmesse am 9. Mai am Berliner Tor. Wir können den 5000 Technikstudierenden an der Hochschule einiges bieten."

Doch die Konkurrenz ist stark. Dekra, die Nummer eins in Deutschland unter den Dienstleistern der Branche, hat ebenso wie TÜV Süd seine Fühler ausgestreckt.