Schüler der Grundschule Immenhorst bemalten die Wände zur Ausstellung der Ghana-Särge im Bestattungshaus Wulff mit bunten Farben.

Norderstedt. Gevatter Tod muss beim fröhlichen Treiben der Kinder das pure Grausen erfasst haben. Die neun- bis elfjährigen Schülerinnen und Schüler der Norderstedter Grundschule Immenhorst bemalten in einem Workshop die Wände der Sarg-Ausstellung des Norderstedter Bestattungshauses Wulff & Sohn mit knallbunten Farben und fantasievollen Figuren. Unbefangen bewegten sie sich mit Farbtopf und Pinsel zwischen den Särgen. Das allerdings sind nicht die traditionellen Modelle aus Eiche massiv mit Messingbeschlägen.

Sönke und Anke Wulff zeigen zum 100-jährigen Bestehen ihres Bestattungsinstituts Sargkunst aus Ghana, Särge, die sich die Menschen aussuchten, als sie noch lebten. Oder die die Familie für sie entwarf und herstellen ließ. Vielfach stellen sich die Menschen in Ghana ihre Särge vor die Haustür oder ins Wohnzimmer. Oder schlafen schon zu Lebzeiten darin. Der Tischler lässt sich einen Hobel als Sarg bauen, der Fischer ein Boot oder einen Fisch, der Bauer eine Kuh, der Italienfan eine Maschine der Fluggesellschaft Alitalia. Auch Elefanten, Löwen und Tiger, Hühner, eine Chilischote und eine Zwiebel sind als Särge in der Ausstellung bei Wulff an der Segeberger Chaussee 50 zu sehen. In Ghana wird für die Särge eine große Grube ausgehoben, ausgemauert und weiß gestrichen. "Bei uns entscheidet die jeweilige Friedhofsordnung, ob ein solcher Sarg verwendet werden kann", sagt Sönke Wulff.

Tabuthema Tod? Der Tod gehört zum Leben wie die Geburt, ist das Zauberwort aus Ghana, das dem Ende des Lebens vieles von seinem hiesigen Schrecken nimmt. Einem Schrecken, den auch die Kirche aufbaute - als Drohmittel gegen ihre Gläubigen.

Die Kinder ließen sich nicht schrecken. Sie philosophierten mit den Künstlerinnen Marie-Thérèse Schins und Birte Müller über den Tod. Und schrieben beispielsweise "Im Himmel bin ich nicht eingesperrt" zum Bild mit einem Hamster. Oder "Katzen können gequält werden, aber im Himmel sind sie frei." Oder: "Es ist sehr bunt im Jenseits" zu einem Bild, in denen Menschen ausgelassen zwischen Blumen tanzen. Sie sind mit schwarzen Konturen als Silhouetten gezeichnet und tragen rote Herzen und blaue Seen in der Körpermitte.

"Ich habe einen Hecht gemalt, weil ich gern angle, und mein Sarg soll auch ein Hecht sein", sagte Till, zehn Jahre alt. "Ich will eine Katze als Sarg", sagte Cecilia, 10. "Mir würde als Sarg ein Flugzeug gefallen", sagte Tommy, 10. "Ich liebe Hunde, also möchte ich einen Hund als Sarg", sagte Lennart, 10. Lara und Celina, 11 Jahre, wünschen sich ein Pferd als Sarg, Mads, 10, einen Tiger, Ryan, 10, hat einen Glücksapfel gemalt und meint, der Entwurf seines Sargs habe noch Zeit, und das Gehäuse für die letzte Reise müsse gut überlegt werden.

"Sterben und Tod sind sehr sensible Themen, und ich bin begeistert, wie kindgerecht beides in diesem Workshop aufgearbeitet wird", sagte Elisabeth Bauer-Plambeck. Die Leiterin der Grundschule Immenhorst freute sich auch, dass der Friedrich-Bödecker-Kreis Schleswig-Holstein den Workshop unterstützte.

Zuerst habe es in der Schule Bedenken zum Workshop gegeben. Doch als keine Einwände von den Eltern kamen, habe man das Angebot angenommen. "Wir haben das Thema im Unterricht besprochen, sodass die Schüler vorbereitet waren", sagte Bauer-Plambeck. Die Kinder würden jedenfalls sehr aufgeschlossen mit dem Tod umgehen.

"Es ist toll, wie selbstständig und diszipliniert die Kinder arbeiten", sagte Birte Müller. Die 39-jährige Hamburgerin ist Kinderbuch-Illustratorin und lernte die Autorin, Journalistin und Trauerbegleiterin Marie-Thérèse Schins bei der Arbeit zu deren Bücher "Eine Kiste für Opa" (Aufbau-Verlag) und "Zuckerguss für Isabel" (Peter Hammer Verlag) kennen. Während Schins mit den Kindern über die letzte Reise, den Tod und das Jenseits sprach, setzte Müller mit ihnen das Gehörte in Bildersprache um.

"Es ist faszinierend, wie die Kinder das Thema Tod verarbeiten, manchmal bekomme ich eine Gänsehaut, so direkt und treffend sind ihre Einfälle", sagte Anke Wulff, die mit ihrem Team ein kreatives Ambiente im alten Wulffschen Möbelhaus mit Strohballen, Holzmulch, Äpfeln und Getränken für die Kinder baute.

"Bei diesen Workshops mit Kindern lerne ich viel, denn sie vertiefen sich kompromisslos in ihre Arbeit", sagte Marie-Thérèse Schins. Für die Holländerin, die seit 1974 in Hamburg lebt und sogar in Beirut und Indien Workshops gibt, sind Kinder Vorbilder für die Erwachsenen: "Ich sage den Eltern immer wieder, hört auf eure Kinder, ihr könnt viel von ihnen lernen."

Ihr Bilderbuch "Eine Kiste für Opa" arbeitete sie Seite für Seite mit den Kindern durch und stellte ihnen das Huhn vor, das auch als Sarg in der Ausstellung zu sehen ist. "Das Huhn ist wie eine Mutter. Meine Mutter ist gestorben, aber ich spreche immer noch mit ihr. Sie antwortet mir auch, denn man muss den Toten nur zuhören können, dann geben sie Trost und Rat", erklärte Schins den Schülern. Die dankten ihr und Birte Müller mit "Astrein!", "Cool!", "Himmlisch!" oder "Spitze!"

Eine Frage indes mussten Anke und Sönke Wulff den Kindern immer wieder beantworten: "Wird das Haus hier wirklich abgerissen, und was geschieht dann mit unseren Bildern?" Das Ehepaar Wulff tröstete die Schüler, dass das Haus wohl noch mindestens ein Jahr stehen werde. Sie versprachen aber, alle Malwerke zu fotografieren und zu einem Poster zu verarbeiten.

Am Freitag, 11. Mai, liest Joachim Tegtmeyer, Pastor i. R. der Glashütter Thomaskirche, unter dem Titel "Von Trauerkranz und Leichenschmaus" Heiteres, Nachdenkliches und Skurriles zum, Thema Tod. Die Lesung beginnt um 19.30 Uhr in Wulffs Hauskapelle an der Segeberger Chaussee 56.

Die Ausstellung "Bestattungskunst Särge aus Ghana" und die Schüler-Malarbeiten sind bis 15. Juni, täglich von 11 bis 19 Uhr, in dem ehemaligen Wulffschen Möbelhaus an der Segeberger Chaussee 50 zu sehen. Führungen für Gruppen und Schulklassen können unter 040/529 61 73 oder unter www.wulffundsohn.de vereinbart werden. Der Eintritt ist frei.