ZilpZalpZilpZalpZilpZalp!", kommt es aus einer Baumkrone. Johannes Haase, 71, blickt nach oben. "Das ist der Zilpzalp." Ok, das war jetzt einfach. Nett, dass der kleine Singvogel am laufenden Band seinen Namen schreit. Da kann selbst der von Ahnung unbeleckte den Ornithologen raushängen lassen und die Familie beeindrucken. Schwieriger aber wird das bei all den anderen Rufen, die an diesem Dienstagmorgen durch den Waldpark der Landesgartenschau hallen. Wer nicht die Erfahrung eines Johannes Haase hat oder die seines Kollegen Kurt Benitz, 72, der versteht jetzt gar nichts. Außer, dass Frühling ist und alle Vögel schon da sind.

Haase und Benitz stehen immer dienstags, um 9.30 Uhr, gekämmt und gestriegelt, die Weste des Naturschutzbundes am Leib, den Profi-Feldstecher um den Hals, die Ornithologen-Bestimmungsbücher im Rucksack, gleich hinter dem Eingang der Gartenschau und warten auf Gleichgesinnte. Auf Menschen, die wissen wollen, wer da piept, singt, fliegt und brütet. Sie führen die Besucher in das Wohnzimmer ihrer gefiederten Freunde, sie erläutern die Rufe und Gesänge der Tiere.

Johannes Haase, sein Leben lang Feuerwehrmann in Hamburg, ist seit 30 Jahren der Norderstedter Nabu-Mann und Experte für Vögel. Kurt Benitz, Werkzeugmacher im Ruhestand, hat sich privat früher mehr mit Handball beschäftigt. "Aber die Natur und die Vögel waren immer nebenher mein Hobby", sagt er. Seit zehn Jahren ist er beim Nabu dabei.

War das jetzt der Sandregenpfeifer oder der Flussregenpfeifer?

Für beide Vogelkenner geht es bei diesen Führungen auch um das Treffen mit Gleichgesinnten. Um das Fachsimpeln darüber, ob dieser Ruf da im Dickicht der Sandregenpfeifer oder der Flussregenpfeifer war. "Es ist eben nicht nur Spazierengehen, sondern man tut noch was dabei", sagt Haase.

Mit Cornelia Hagemann, 51, Erzieherin aus Wahlstedt, und Kirstin Reinholdt, 44, Hausfrau aus Norderstedt, ist die Truppe für Haase und Benitz heute überschaubar. Bei der ersten Führung in der vergangenen Woche waren es noch zehn Vogelliebhaber gewesen. Die Erzieherin Hagemann lebt hauptberuflich im Wald. "Ich leite eine Waldkindergarten-Gruppe", sagt sie. Sie will jetzt endlich auseinanderhalten können, was in den Büschen und Bäumen piept. Damit sie den Kindern qualifizierte Antworten geben kann. Die Hausfrau Kirstin Reinholdt lässt sich gerade "aus reinem Interesse und Spaß" zur Natur- und Landschaftsführerin ausbilden, steckt mitten im Praxisteil des Ausbildung und möchte nach der Gartenschau Norderstedter Besucher durch den Stadtpark führen. "Dazu gehört es sich, dass ich auch weiß, welche Vögel hier herumflattern."

Los geht es auf den eher abseits gelegenen Pfaden durch den weitläufigen Waldpark. "Wir sind hier nicht im Zoo. In der Natur muss man nehmen, was man bekommt", sagt Kurt Benitz und möchte damit Erwartungen dämpfen, die von einem überbordenden Vogelangebot auf der Schau ausgehen. Wenn die Piepmätze keine Lust haben, dann hört und sieht man auch mal nur wenig auf so einem 90-minütigen Rundgang.

"Was denken Sie, wie viele Arten es auf dem Landesgartenschaugelände gibt?", fragt Johannes Haase in die Runde, lächelnd und wohl wissend, dass der Laie höchstens Meise, Spatz, Amsel und Co kennt und dann schon Schwierigkeiten bekommt, weitere Vögelchen aufzuzählen. "Wir haben bis jetzt 36 Arten gezählt, Sing-, Greif- und Wasservögel", sagt Haase. Ein erster Aha-Effekt. Die jahrelangen Bauarbeiten für die Gartenschau haben die fliegende Fauna also nicht komplett vergrault. "Das wichtigste ist die Nahrung. Wenn die Nahrung da ist, sind auch die Vögel da", sagt Johannes Haase. Der Tisch scheint reich gedeckt auf der Gartenschau. Von A wie Amsel bis Z wie Zaunkönig ist alles vertreten. Haase und Benitz haben bereits den Schilfrohrsänger, den Kuckuck, den Pirol, einen Bussard, die Mönchsgrasmücke, den Gartenrotschwanz, den Flussuferläufer und den Mauersegler ausgemacht. Auf dem Stadtparksee führt ein Stockentenpaar bereits seinen Nachwuchs im Schlepptau hinter sich her, der Haubentaucher ist da und auch ein Schwanenpaar.

Die Sinnfrage: Warum singen Vögel eigentlich? Und warum jetzt?

Doch jetzt, auf dem Weg hinter dem Müllberg, der jetzt die Sitzstufenanlage für die Waldbühne bildet, da singt die Mönchsgrasmücke in einem Baum. Johannes Haase zückt den Feldstecher und macht das Vögelchen im grünen Einerlei aus. "Der Ruf ist so klipp und klar, so melodisch, den erkennt man sofort", sagt Kurt Benitz. Neben dem Weg, auf dem First eine Laube im Schrebergarten, sitzt ein Amselmännchen und tschilpt angestrengt. "Da, da hören Sie - dieses Ziehen. Das ist der Grünfink", sagt Haase, und alle bleiben stehen und lauschen. Ruhig sein, geduldig sein muss der Hobby-Ornithologe.

Die Führungsgäste stellen jetzt die Sinnfrage. Warum singen die Vögel überhaupt? Und warum jetzt? "Es geht um die Partnersuche! Sie machen Werbung für sich", sagt Haase. Morgens fangen die meisten Vögel nach einem minutiösen Zeitplan mit dem Singen an. Gegen Mittag machen die meisten Tierchen Pause. Und gegen Abend fangen viele wieder an. Bis endlich der Partner für die Brutpflege gefunden ist und der Bauplan für das gemeinsame Nest steht. Irgendwie romantisch. "Da! Das Rotkehlchen!", sagt Kurt Benitz. Es sei der einzige Vogel, der bis spät in den Abend singt und sogar im Herbst, wenn längst alle verstummt sind, noch weitermacht. Auch, wenn es längst nicht mehr um die Partnersuche geht. Und warum? "Weil er Lust dazu hat", sagt Haase.

Kurz hinter dem Waldspielplatz hat die Ornithologen-Gruppe dann richtig Glück. Der Bussard schwebt elegant durch die Baumkronen davon, hinaus über den Stadtparksee. Dort ist er mit seinem einem Miauen gleichen Ruf zu hören. Und fast ein wenig aus dem Häuschen geraten Haase und Benitz, als sie kurz darauf auf einer Eiche, die mitten in der noch kargen Heidefläche am Ende des Waldparks steht, einen Baumpieper entdecken. "Das ist jetzt die 37. Art, die wir auf dem Gelände entdeckt haben", sagt Haase.

Der Baumpieper zieht das volle Programm für die Besucher durch

Der Baumpieper ist dann noch so nett und führt sein imposantes Brautwerben vor. Er schraubt sich flatternd von einem Ast des Baumes aus nach oben in den Himmel und lässt sich mit ausgebreiteten Schwingen sanft in die Ausgangsposition nach unten fallen. "Damit zeigt er: Ich bin der Tollste, ich bin der Hübscheste. Komm her Mutti, wir machen uns ein Nest!", sagt Benitz.

Ansonsten bleibt die Zahl der zu beobachtenden Vögel an diesem Tag bescheiden. Ein Eichelhäher-Pärchen zeigt sich noch, ein paar Stare auf einer Wiese, ein paar Schwalben im Tiefflug und eine Elster. Johannes Haase geht sogar so weit, mal gegen einen Nistkasten zu klopfen, den er selbst an einem Baum in der Heide aufgehängt hat. "Da brütet eine Meise drin. Beim letzt Mal hat sie rausgekuckt", sagt er und klopft, worauf die Meise wutentbrannt durch das Schlupfloch nach draußen schießt. "Du bist gemein", sagt Kurt Benitz."Och Kurt, die kommt gleich wieder zurück", sagt Haase.

Vogel-Führungen, bis 14. Juni, immer dienstags, 9.30 bis 11.30 Uhr, Treffpunkt Eingangsbereich am NDR-Turm. Kontakt und Terminabsprache: Johannes Haase, Telefon 040/524 34 56.