Erneut in die Kritik geraten: Die mangelnde Transparenz bei der Auftragsvergabe der Stadt Henstedt-Ulzburg hat nun den BDA auf den Plan gerufen.

Henstedt-Ulzburg. Der Bund Deutscher Architekten (BDA) kritisiert die Praxis der Auftragsvergabe an Ingenieur- und Planungsbüros im Henstedt-Ulzburger Rathaus. Seit Jahren werden Aufträge ohne Ausschreibungen stets an einen kleinen Kreis von Büros vergeben - darunter ist auch das Ingenieurbüro des langjährigen Ortsvorsitzenden der CDU. In den Nachbarstädten Norderstedt und Kaltenkirchen werden die städtischen Aufträge nach einem bestimmten Verfahren breiter gestreut.

Die Vergabe von Architektenaufträgen ist in Henstedt-Ulzburg nicht erst in jüngster Zeit ins Gerede gekommen. In früheren Jahrzehnten gingen viele Aufträge ohne Ausschreibung an das Büro des inzwischen verstorbenen Architekten Günter Heinz Baum, der in Henstedt-Ulzburg und im Kreis Segeberg in mancher Beziehung eine Sonderstellung einnahm. Er war Ortsvorsitzender der CDU, Fraktionsvorsitzender im Gemeindeparlament und Kreispräsident. Diese Praxis der Auftragsvergabe war ein häufiger Streitpunkt in der Gemeindepolitik - geändert wurde sie jedoch nie.

Jetzt hat sich die örtliche Wählergemeinschaft des Themas angenommen und die Verwaltung beauftragt, die Auftragsvergaben der letzten fünf Jahre aufzulisten. Diese Auftragsvergabe an die Verwaltung wurde von anderen Fraktionen zwar als unnötige Belastung für die Verwaltung gewertet, das Ergebnis jedoch ist interessant: Bei Auftragsvergaben tauchten in den vergangenen fünf Jahre stets dieselben Namen auf. Laut Wählergemeinschaft sollen einzelne Ingenieurbüros dabei Einnahmen im "hohen sechsstelligen Bereich" erzielt haben. Bei Prüfungen von Baustatiken taucht zum Beispiel immer wieder der Name KSK-Ingenieure in Norderstedt auf - Mitinhaber ist der langjährige Henstedt-Ulzburger CDU-Vorsitzende und Diplom-Ingenieur Wolfgang Horstmann.

Von der Gemeindeverwaltung wird das nicht bestritten, sondern als eine seit Jahren gängige Praxis bezeichnet. "Es macht keinen Sinn, ein vollkommen fremdes Büro zu beauftragen", sagt Jörn Mohr, Fachbereichsleiter für Planen, Bauen und Umwelt im Rathaus. "Wir vergeben Aufträge an Büros, mit denen wir gut zusammenarbeiten." Mohr verweist auf die offizielle Vergabeordnung, nach der Architektenleistungen erst ab einer Honorarsumme von 200 000 Euro ausgeschrieben werden müssen. Diese Summe werde in der Regel nur bei städtebaulichen Wettbewerben überschritten, in den vergangenen Jahren sei das nicht der Fall gewesen.

Wolfgang Horstmann kann an der Vergabe an sein Büro nichts Unlauteres erkennen: "Die Behörde weiß, dass es schnell und unkompliziert läuft. Es ist vernünftig, Aufträge im Ort zu belassen." KSK sei zwar in Norderstedt ansässig, er selbst wohne aber in Henstedt-Ulzburg. Die Aufträge der Gemeinde stellen nach seinen Angaben nur einen geringen Anteil der KSK-Arbeit dar. "Als Prüf-Ingenieure haben wir ganz andere Aufträge."

Jan O. Schulz, der Vorsitzende des Bundes Deutscher Architekten in Schleswig-Holstein, empfindet die Henstedt-Ulzburger Praxis als "fatal". Zwar sei es sinnvoll, die Aufträge in der Region zu belassen, aber keinesfalls dürften sie nur an bestimmte Ingenieur- und Architektenbüros vergeben werden. "Das funktioniert nur mit einer Liste von Büros aus der Region, die reihum alle berücksichtigt werden." Er könne zwar durchaus verstehen, wenn eine Bauverwaltung nur Aufträge an Büros vergeben möchte, mit denen gute Erfahrungen gemacht wurden, aber diese Praxis verhindere, dass auch andere, zum Beispiel neu gegründete Büros, in den Kreis der Auftragnehmer gelangen könnten. In Schleswig-Holstein sei die Henstedt-Ulzburger Praxis unüblich. Eine gehäufte Auftragsvergabe an einen Ortspolitiker sei besonders heikel. "Schon das kollegiale Selbstverständnis sollte es ihm verbieten, mehr Aufträge als andere für die Gemeinde auszuführen." Ganz allgemein, ohne jeglichen Bezug zu Henstedt-Ulzburg, sagt Jan O. Schulz: "Es ist ein offenes Geheimnis, dass bei Auftragsvergaben gemauschelt wird, aber das ist schwer nachzuweisen."

So funktionieren Auftragsvergaben in Norderstedt, wo alles in der Vergabeordnung geregelt ist: Bei kleineren Aufträgen werden fünf bis sechs Firmen angeschrieben, die sich bewerben können. An die Firmen aus diesem Pool werden abwechselnd Aufträge vergeben. Bei größeren Vergaben werde stets das Rechnungsprüfungsamt eingeschaltet, sagt Pressesprecher Hauke Borchardt. Das gelte auch für Aufträge mit einem Honorar unter 200 000 Euro. "Das Verfahren muss transparent sein."

Die Stadt Kaltenkirchen vergibt nach Angaben von Pressesprecher Martin Poschmann Aufträge an verschiedene Architekten. "Wir wechseln ständig, das hat bisher nur selten zu Kritik geführt." Es werde aber darauf geachtet, dass die Büros in den jeweiligen Bereichen die nötige Fachkenntnis haben.