Es geschah in einer Berliner Laubenpieperkolonie: In Berlin steht die mutmaßliche Dealerin des SPD-Innenpolitikers Michael Hartmann vor Gericht. Ihr drohen bis zu 15 Jahre Haft.

Sie wirkt wie ein Häufchen Elend. Mit eingefallenen Schultern sitzt die korpulente Frau auf ihrem Stuhl. Ihr Haar ist blond gefärbt, sie sieht älter als 43 aus. Als ihr Verteidiger eine Erklärung vorliest, beginnt sie zu weinen. Die Berlinerin Silke C.-Sch. ist des unerlaubten Handels mit Betäubungsmitteln in „nicht geringfügiger Menge“ angeklagt. Einer ihrer Kunden soll laut Anklageschrift der SPD-Politiker Michael Hartmann gewesen sein.

Es ist bereits der zweite Verhandlungstag für die Angeklagte. Vergangenen Mittwoch begann die Hauptverhandlung mit dem Verlesen der Anklageschrift. Aber da war noch nicht bekannt, dass einer der Abnehmer der Kleindealerin möglicherweise der damalige innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion war.

Nur zwei, drei hartgesottene Gerichtsreporter hatten sich zum ersten Tag eingefunden. Vor Gericht stand eine Frührentnerin, die in ihrer Gartenlaube mit einer Partydroge gehandelt hatte. Ein Fall fürs Vermischte. Nun ist sie die Frau, die Michael Hartmann die politische Karriere kosten könnte. Die Pressebänke sind voll.

Traumatische Kindheitserlebnisse

Ihre Geschäfte betrieb C.-Sch. in der Kleingartenkolonie Samoa im Berliner Stadtteil Schöneberg, in der sie nach der Trennung von ihrem Mann zeitweise auch lebte. Ihr Mann soll es auch gewesen sein, der sie zu den Drogen brachte. So steht es in der Erklärung, die ihr Anwalt am Montag mit der Begründung verliest, seine Mandantin sei aufgrund ihrer „psychischen Beeinträchtigungen und der hohen medialen Aufmerksamkeit“ dazu nicht selbst in der Lage.

Aufgrund traumatischer Kindheitserlebnisse leide sie schon seit Langem unter schweren Depressionen, teilt die Angeklagte darin mit. Bereits vor der Hochzeit habe sie ihr Mann, der selbst mit Drogen gehandelt habe, ermutigt, Ecstasy und Koks gegen ihre psychische Störung zu nehmen, später auch Crystal Meth. Nach der Trennung von ihrem Mann habe sie eine Zeit lang keinen Kontakt zu Drogen gehabt.

Dann aber hätten Kunden ihres Mannes sie gedrängt, seinen „Platz einzunehmen“. Dabei sei auch Druck auf sie ausgeübt worden. Auf ihrem Laptop, den ihr Mann für seine Geschäfte genutzt habe, habe sie die Daten seines Verkäufers gefunden und mit diesem Kontakt aufgenommen. So sei sie selbst ins Geschäft eingestiegen. Die Ware habe sie zum Teil selbst konsumiert, zum Teil verkauft.

Sie dealte mit Zwischenhändlern und Endkonsumenten

Fast 40 Mal soll C.-Sch. zwischen Januar 2013 und Januar 2014 Drogen verkauft haben, sowohl an Zwischenhändler als auch an „Endkonsumenten“. So steht es in der Anklageschrift vom 6. Mai 2014. Im Januar 2014 wurde sie festgenommen, sitzt seither in Untersuchungshaft. Am 6. Oktober 2013 soll sie laut Anklage an Michael Hartmann ein Gramm Methamphetamin (so der offizielle Name von Crystal Meth) verkauft haben.

Dem „Spiegel“ zufolge soll sich Hartmann im November mit einem Dienstwagen der Fahrbereitschaft zur Laube fahren gelassen haben. Das Magazin schreibt weiter, dass er sich insgesamt 3,2 Gramm besorgt haben soll.

Der Name Hartmann fällt vor Gericht nicht. Das liegt daran, dass es in diesem Verfahren keine Rolle spielt, wem C.-Sch. die Drogen verkauft hat. Gegen Hartmann ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft getrennt wegen des illegalen Besitzes von Betäubungsmitteln; er selbst äußert sich derzeit nicht. Bei einer Durchsuchung seiner Berliner Wohnung soll nichts gefunden worden sein. Allerdings erklärt C.-Sch. vor dem Gericht, dass sie die ihr in der Anklage zur Last gelegten Verkäufe einräume. Zu ihren Kunden habe sie gegenüber der Polizei „umfänglich ausgesagt“.

Ihr drohen bis zu 15 Jahre Haft

In der anschließenden Befragung durch Richter Thilo Bartl gibt die Angeklagte Auskunft über den Alltag einer Kleindealerin. Den Erwerb von Drogen habe sie am Handy vereinbart; die Übergabe erfolgte in ihrer Gartenlaube. Dort verkaufte sie die Ware auch wieder, abzüglich dessen, was sie selbst konsumierte.

Ein Gramm habe ihr in der Regel für eine Woche gereicht, sagt sie. Sie selbst bezahlte 45 Euro pro Gramm Crystal Meth. Verkauft habe sie es zu unterschiedlichen Preisen, das Gramm zwischen 55 und 70 Euro. Sie habe nur einen Käufer gehabt, der einzelne Gramm hätte haben wollen und dafür 100 bis 120 Euro gezahlt habe.

Sie „bereue ihre Handlungen ernsthaft“, lässt C.-Sch. vor Gericht erklären. Als sie sich von ihrem Mann zu den Drogen überreden ließ, sei sie in sehr schlechter Verfassung gewesen. „Heute weiß ich, dass das der falsche Weg war.“ Silke C.-Sch. drohen zwischen ein und 15 Jahre Haft. „Die letzten drei Jahre meines Lebens würde ich am liebsten auslöschen“, hat sie ihrem Anwalt diktiert. Das würden vermutlich gern noch mehr Betroffene dieser Affäre tun.