Mit der Fehmarnbelt-Querung soll eine wirtschaftliche, wissenschaftliche und kulturelle Großregion mit Schweden, Dänemark und Deutschland entstehen - ein Kraftzentrum.

Lübeck. Die geplante Superbrücke über den Fehmarnbelt könnte zu einer Keimzelle für eine neue Boomregion im Norden Europas werden. Gestern stellten Vertreter aus Schweden, Dänemark, Schleswig-Holstein und Hamburg auf einem Kongress in Lübeck erste Weichen, um ihre Zusammenarbeit rund um die Beltquerung auszubauen und ein gemeinsames "Kraftzentrum" zu bilden.

"Die feste Querung ist mehr als nur eine Brücke", sagte Schleswig-Holsteins Europaminister Uwe Döring (SPD). Das Jahrhundertbauwerk eröffne neue Perspektiven für den gesamten südlichen Ostseeraum. Leitlinie ist dabei die "Lübecker Erklärung", in der sich die fünf Belt-Regionen (Skane/Schweden, Kopenhagen und Seeland/Dänemark, Schleswig-Holstein und Hamburg) auf gemeinsame Projekte für eine Großregion verständigten. Die Kernpunkte:

- Die Regionen wollen einen gemeinsamen Arbeitsmarkt bilden, Berufsabschlüsse gegenseitig anerkennen und ein "Infozentrum für Grenzpendler" einrichten. In dem Zentrum sollen Pendler in Fragen des Steuer-, Sozial- und Arbeitsrechts beraten werden. Klar ist, dass schon der Bau der Beltquerung für einen Boom sorgen wird. Die dänische Beltgesellschaft geht davon aus, dass in der Bauphase von 2011/12 bis 2018 jährlich 6000 bis 9000 Arbeitskräfte benötigt werden.

- Die Anrainerländer setzten sich zudem für einen beschleunigten Ausbau der Hinterlandanbindungen ein, damit die Boomregion nicht im Stau stecken bleibt. Gefordert ist hier insbesondere Deutschland. Der Bund will die Bahnstrecke zwischen Puttgarden und Lübeck erst bis 2025 zweigleisig ausbauen und den Engpass auf der Strecke, die Fehmarnsundbrücke, nicht erweitern. Dänemark hat den Ausbau seines Straßen- und Schienennetzes bereits beschlossen.

- Motor und Markenzeichen der Großregion sollen Hochschulen und Forschung werden. Ziel ist eine "weltweit führende Wissensregion", die von Oslo bis Hamburg reicht. Ein Aushängeschild wurde von der EU bewilligt. In Lund (Schweden) soll ein Kompetenzzentrum für Materialwissenschaften entstehen. Das Neutronenforschungszentrum soll mit den Universitäten in Kopenhagen, Kiel und dem Deutschen Elektronen Synchroton (Desy) in Hamburg zusammenarbeiten.

- Beim Tourismus streben die Regionen ebenfalls einen Schulterschluss an. Sie wollen gemeinsame Angebote prüfen, vor allem im Wassersport und beim Segeltourismus punkten.

An Ideen mangelte es den rund 300 Teilnehmern des Kongresses auch sonst nicht. Die Regionen wollen gemeinsam einen Spitzenplatz beim Klimaschutz einnehmen, verstärkt Informationen austauschen und auch "einen kulturellen Brückenschlag über den Fehmarnbelt" wagen. Gemeint sind gemeinsame Kultur- und Sportveranstaltungen sowie mehr Austauschprogramme.

Die Euphorie in Lübeck wurde durch die Hängepartie in Berlin kaum gedämpft. Der Bundestag hatte die Entscheidung über den Staatsvertrag mit Dänemark zum Bau der Beltquerung erneut verschoben - auf Mitte Juni. Eine Mehrheit für das Projekt gilt aber als sicher.

Ebenso klar ist, dass ein Ausbau der Belt- zur Boomregion zulasten anderer Projekte und Regionen gehen würde. Das gilt auch für lange geplante Verkehrsvorhaben, etwa den Ausbau der Bahnstrecke zwischen Pinneberg und Elmshorn. Diese Trasse ist Teil der Jütlandroute, auf der Güterzüge bisher über Flensburg nach Dänemark fahren. Nach dem Bau der Beltquerung sollen die Züge nicht mehr durch den Norden Schleswig-Holsteins, sondern über die Superbrücke ins Königreich rollen.