Spitzenkandidat Torsten Albig kündigt für den Wahlsieg radikale Einsparungen bei Land und Kommunen in Schleswig-Holstein an.

Kiel. Schleswig-Holsteins SPD ist mit dem wohl radikalsten Sparvorschlag in der Geschichte des Landes in den Wahlkampf gestartet. Spitzenkandidat Torsten Albig kündigte an, ein Viertel der knapp 100.000 Stellen bei Land, Kreisen, Städten und Gemeinden bis 2021 abbauen zu wollen. Im Gegenzug möchte der Kieler Oberbürgermeister klammen Kommunen deutlich mehr Geld zur Verfügung stellen als die schwarz-gelbe Regierung mit ihrem neuen Hilfsfonds. Er löste ein unterschiedliches Echo aus, wurde vom Kreis Pinneberg gelobt, von der Stadt Elmshorn scharf kritisiert.

Seinen Sparhammer servierte Albig eher nebenbei. Nachdem er in einem Restaurant an der Kieler Förde nahe dem Landeshaus seine geplante Reise durchs Land ("Demokratiesommer") vorgestellt hatte, wurde der Spitzenkandidat immer wieder gefragt, wie er seine teuren Wahlversprechen finanzieren will. Albig verwies auf das Personal von Land und Kommunen, zusammen etwa 93.000 Beschäftigte, und erklärte "ein Viertel des Personals" für einsparbar. Den Rotstift will er insbesondere bei den Verwaltungsapparaten ansetzen, etwa bei der Ministerialbürokratie im Kieler Regierungsviertel.

Konkrete Vorschläge machte Albig für die Ebene von Kreisen, Städten und Gemeinden. Mit "einer großen zentralen Personalbehörde" für alle kommunalen Mitarbeiter könnte ebenso Personal gespart werden wie mit einer einzigen Ordnungsbehörde, die für den gesamten Bereich Bescheide verschickt. Zudem mache es keinen Sinn, wenn jede Kommune auf ein eigenes Computersystem setze.

Im Landeshaus fielen die Politiker aus allen Wolken, weil schon der Plan der schwarz-gelben Regierung, bis 2020 etwa jeden zehnten der 53.000 Jobs im Landesdienst zu streichen, von der SPD bisher ausgebremst wird.

Die Genossen wollen im größten Bereich, den mehr als 20.000 Lehrern, statt geplanter 3650 nur 1450 Stellen sparen und wie die CDU die Polizei (fast 8000 Beschäftigte) ungeschoren lassen. Bei den Kommunen (gut 40.000 Beschäftigte) gelten größere Einsparungen nur als realisierbar, wenn das Land zwangsweise etwa Großgemeinden und Großkreise einrichtet. Beides lehnen CDU und FDP wie inzwischen auch SPD und die Grünen ab.

"Zum Auftakt seiner Sommertour scheint Herrn Albig die Hitze arg zuzusetzen, anders ist seine konfuse Theorie nicht zu erklären", sagte die FDP-Finanzpolitikerin Katharina Ledige dem Abendblatt. "Der Vorschlag ist absolut unseriös", ergänzte CDU-Partei-Vize Ingbert Liebing. Beide Politiker warfen Albig zudem vor, als Oberbürgermeister in Kiel seit 2009 keine Stellen gespart, sondern mehr Personal eingestellt zu haben. Kopfschütteln löste Albig auch bei seinem grünen Wunschkoalitionspartner aus. Das Ziel, die Verwaltung effizienter zu machen, sei zwar richtig, sagte Grünen-Fraktionschef Robert Habeck. Fast 25.000 Stellen ließen sich dadurch bei Land und Kommunen aber kaum erwirtschaften. Diese Erkenntnis setzt sich wohl auch bei Albig durch. Er teilte nach der Kritik mit, er wolle 25 Prozent der "Aufgaben" und die damit verbundenen Stellen abbauen.

Konkret wurde der Spitzenkandidat bei einem Wahlgeschenk. Er will den von der früheren CDU/SPD-Koalition beschlossenen Griff in die kommunalen Kassen ab 2013 in drei Schritten beenden. Kreise, Städte und Gemeinden bekämen somit ab 2015 jährlich 120 Millionen Euro mehr überwiesen. "Das war und ist Geld der Kommunen", sagte Albig. Wie das Land die Aktion trotz Schuldenbremse bezahlen soll, ließ er offen. "Das wird aus dem laufenden Haushalt gemacht."

Der Oberbürgermeister wies zugleich darauf hin, dass die Kommunen mit der 120-Millionen-Aktion deutlich besser fahren als mit dem von der schwarz-gelben Regierung geplanten Hilfsfonds. Aus ihm sollen die 18 ärmsten Kreise und Städte des Landes insgesamt 750 Millionen Euro (bis 2021) erhalten, wenn sie mit dem Land einen harten Sparkurs vereinbaren. Albig lehnte das für Kiel ab, weil die Landeshauptstadt (410 Millionen Euro Schulden) gemessen an der bisherigen Regelung sechs Millionen Euro weniger Finanzhilfen bekäme.

Vom Landesfonds profitieren würde laut Albig vor allem Lübeck, die beim Sparen bisher "erfolgloseste Stadt". Kritik kam auch aus Elmshorn. Die Stadt (56 Millionen Euro Schulden) würde mit der bisherigen Regelung wohl besser fahren und wolle sich vom Land keinen Sparkurs vorschreiben lassen, sagte eine Sprecherin. Beifall bekam die Regierung hingegen vom Kreis Pinneberg, der 92 Millionen Euro Schulden angehäuft hat. "Wir jubeln verhalten", sagte Kreissprecher Marc Trampe. Zuversichtlich ist auch der Kreis Herzogtum Lauenburg (20 Millionen Euro Schulden). "Wir könnten vom Landesfonds profitieren", meinte Kämmerer Sören Papp nach ersten Berechnungen.

Anspruch auf den Landesfonds haben im Hamburger Umland auch Uetersen, Pinneberg, Bad Segeberg, Schwarzenbek und Lauenburg. Schützenhilfe bekamen sie vom Städteverband. Er begrüßte das Regierungsmodell, stellte aber klar, dass keine Kommune nach der Armenhilfe schlechter dastehen darf als vorher.