Der Bestand erreicht Rekordhöhe. Dank Fangquoten und natürlicher Faktoren haben sich auch Seezunge und Hering erholt

Hamburg. Für Fischliebhaber ist das ein rundes Vergnügen in der Pfanne, schmackhafte Bissen ohne schlechtes Gewissen. Denn das ist die überraschende Nachricht: In der Nordsee gibt es so viele Schollen wie seit Beginn der wissenschaftlichen Aufzeichnungen im Jahr 1953 nicht mehr. Der Verband der Deutschen Kutter- und Küstenfischer übermittelte die Botschaft, dass künftig wieder mehr Fisch in den Netzen landen darf, ohne die Bestände nachhaltig zu dezimieren.

Die Tendenz sei sogar steigend. Der Bestand an Schollen-Elterntieren werde, so teilten die Fischer mit, bei der jetzt festgesetzten Fangquote von jährlich 84 000 Tonnen bis zum Jahr 2013 sogar auf deutlich über eine halbe Million Tonnen steigen. Als Grund für die Rekordbestände gab der Verband den Erfolg von "fischereilichen Bewirtschaftungsmaßnahmen" in der Nordsee an. Das heißt im Klartext: Die Fangquoten, also die Mengen, die maximal zu fangen erlaubt waren, und die Beschränkung der Tage auf See für die Fischer haben dazu geführt, dass es wieder Scholle satt in der Nordsee gibt. "Die Maßnahmen sind aber nicht der alleinige Grund für die Erholung der Fischbestände", sagt Christoph Stransky, stellvertretender Leiter des Instituts für Seefischerei Hamburg. Hinzu kämen unbeeinflussbare Faktoren wie Klima, Meeresströmungen und das Nahrungsangebot für die Fische.

Nach den Untergangsszenarien, die von einer Überfischung der Meere ausgehen, mag die Erholung der Fischbestände überraschen. Doch "viele dieser Angaben sind einfach falsch - es wird auch noch 2048 Fisch geben", sagt Stransky. Jene Forscher, die einen drohenden Fischmangel ankündigen, berechneten nicht mit, dass sich Fischbestände schrittweise erholten. Die Nordsee-Scholle sei ein positives Beispiel, wie die vom Bund vorgegebenen Managementpläne für die Fanggebiete in Kombination mit glücklichen Naturbedingungen zur Erholung geführt hätten. "Ich gehe davon aus, dass der Bestand der Scholle auch über die nächsten Jahre stabil bleiben wird", sagt Christoph Stransky.

Auch für andere Fischarten wie Schellfisch und Wittling vermeldete der Fischer-Verband eine verbesserte Bestandssituation und somit eine Erhöhung der Fangquoten "auf breiter Front". Dazu gehört zum Beispiel die Seezunge, bei der die Zahl der Elterntiere sogar so hoch sei wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Die Fangquote für diesen Fisch soll im nächsten Jahr um elf Prozent auf 15 700 Tonnen steigen. Auch der bislang als schwindend eingestufte Nordseekabeljau zeige weiter "Erholungstendenzen". Aus Vorsorgegründen sollen die Quoten für Steinbutt, Glattbutt, Kliesche und Flunder allerdings unverändert bleiben. Lediglich bei Seelachs soll es eine Absenkung der Fangquote um 15 Prozent auf etwa 80 000 Tonnen geben.

Die Experten des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) führten die Entwicklung in diesem Fall auf natürliche Bestandsschwankungen zurück. Eine Überfischung habe es auch hier nicht gegeben. Die Wissenschaftler veröffentlichen einmal im Jahr in Kopenhagen ihre Empfehlungen für die Fangquoten des nächsten Jahres. Die Empfehlungen richten sich nach wissenschaftlichen Bestandsbeobachtungen. Der ICES hatte für den Hering in der Nordsee eine Erhöhung der Fangquote um 15 Prozent empfohlen.

"Wunder" wie die Zunahme der Schollen gibt es immer wieder. Vor zwei Jahren sprachen Mitglieder des Kutter- und Küstenschifferverbandes von einem "Dorschwunder" in der Ostsee. Auch diese Art galt als überfischt. Wissenschaftler des ICES fanden jedoch heraus, dass sich der Bestand so weit erholt hatte, dass er binnen sechs Jahren um das Sechsfache gestiegen war. Lag er 2005 noch bei 66 000 Tonnen, waren es im Jahr 2008 bereits 140 000 Tonnen, mittlerweile ist der Bestand sogar auf mehr als 300 000 Tonnen gestiegen. Als Ursache für diese Entwicklung vermuten die Biologen eine Mischung aus Bewirtschaftungsmaßnahmen und natürlichen Faktoren wie Salzwasser-Einströmungen aus der Nordsee, die die Laichbedingungen der Fische verbessert hätten.

Auch die Verbraucher können sich über die Erholung der Fischbestände freuen: "Fischarten wie Scholle werden höchstwahrscheinlich günstiger", sagt Christoph Stransky. Damit die Fischer nicht in Bedrängnis kommen und der Preis stabil bleibt, rät der Experte allerdings auch hier zu wirtschaftlichen Maßnahmen. Das könnte etwa eine langfristige Begrenzung der Fangmengen sein.