Ramsauer spricht mit Befürwortern und Gegnern des Tunnels nach Dänemark. Botschafter soll vermitteln

Fehmarn. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer wagt sich nach Stuttgart 21 in die nächste Höhle des Löwen. Bei seinem ersten Besuch auf Fehmarn verteidigt der CSU-Politiker die umstrittenen Pläne für eine Untertunnelung des knapp 18 Kilometer breiten Belts, deutet aber zugleich mögliche Korrekturen an und verspricht wie Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) mehr Bürgerbeteiligung.

Nach den Sommerferien sollen Fürsprecher und Gegner des größten Bauprojekts in Nordeuropa in einem "Dialogforum" unter Leitung des scheidenden deutschen Botschafters in Dänemark, Christoph Jessen, Streitfragen klären. Ramsauer und Carstensen bekommen dafür auf der Insel neben Beifall auch Pfiffe von Bürgern, die das Jahrhundertprojekt kippen wollen und mit einem "Fehmarn 21" drohen.

Ramsauer nimmt seinen Abstecher in den Norden ernst, steigt am Sonnabend in Lübeck in einen Sonderzug und lässt sich auf der Fahrt entlang der Ostsee von den Bürgermeistern der Urlaubsorte erklären, wie sehr der vorgesehene Ausbau der Strandstrecke und ihre Freigabe für Güterzüge das Tourismusgeschäft schädigt. "Ich habe während der Zugfahrt viel gelernt", sagt Ramsauer. Er habe das 800-Millionen-Bahnprojekt zuvor nur aus den Akten gekannt. Eine konkrete Zusage, dass die Gleise von Timmendorfer Strand bis Sierksdorf an die nahe Autobahn 1 verlegt werden, macht der Minister nicht.

Er betont aber, dass die Bahnanbindung des Belttunnels auch bei einer Alternativtrasse und Mehrkosten von bis zu 300 Millionen Euro "hochwirtschaftlich" sei und deshalb vom Bund finanziert werden könne.

Auf Fehmarn selbst wird Ramsauer von knapp 200 Demonstranten mit einem Pfeifkonzert empfangen. "Rettet und erhaltet unsere schöne Ferieninsel Fehmarn", steht auf dem Transparent, das Gunnar Herke in die Höhe hält. "Ich habe ein Ferienhaus in Westermarkelsdorf am Belt und damit die Baustelle vor der Tür." Während des Tunnelbaus, der von 2014 bis 2020 dauern soll, könne er Surfen, Segeln und Angeln vergessen, weil die Baggerarbeiten das Beltwasser zu einer trüben Brühe machen würden.

Am Nachmittag stellt Ramsauer sich dem Protest in der Aula der Inselschule in Burg, wo schon knapp 400 Bürger warten, gut die Hälfte erbitterte Gegner des Projekts. Es gibt erste Buhrufe. Landesvater Carstensen versucht, die Wogen zu glätten, erinnert an das versprochene Dialogforum und nennt erste Details. Das Forum soll unabhängig von der Regierung arbeiten, eine Geschäftsstelle beim Heimatbund erhalten, alle Fragen rund um das Beltprojekt erörtern - und vom "erfahrenen Diplomaten" Jessen geleitet werden. Die Personalie löst im Saal laute Proteste aus. Jessen, der Ende des Monats seinen Stuhl als Botschafter in Kopenhagen räumt, gilt als Befürworter des Beltprojekts. Carstensen legt nach, stellt klar, dass es im Forum nur um das Wie der Beltquerung und nicht mehr um das Ob geht. "Der Staatsvertrag mit Dänemark steht nicht zur Disposition." Der Saal kocht.

Ramsauer gelingt es, die Gemüter etwas zu beruhigen. Der Minister erinnert daran, dass er als erster Bundesverkehrsminister auf die Insel kommt. "Ich könnte es mir leichter machen." Der Oberbayer wirbt für die Querung, die Hamburg und Kopenhagen verbinde und zu den Top-EU-Projekten gehöre. Für die Proteste zeigt er Verständnis. "Es ist klar, dass für Sie das Hemd als Anwohner näher ist als der gesamteuropäische Rock." Daher sei das Dialogforum wichtig. "Betroffene werden zu Beteiligten." Im Saal halten sich Beifall und Buhrufe die Waage.

In der Fragerunde melden sich die Kritiker des Tunnels zu Wort, den Dänemark für 5,5 Milliarden Euro bauen und über eine Maut refinanzieren will. Ein Insulaner warnt vor dem Ende des Tourismus auf Fehmarn, ein anderer beklagt "die Geldverschwendung" für den Ausbau der Bahntrasse, und immer wieder warnen Vertreter der Bürgerinitiativen aus den Urlaubsorten an der Lübecker Bucht vor dem Lärmterror durch Güterzüge.

Insel-Bürgermeister Otto-Uwe Schmiedt bestätigt den Eindruck, dass die Beltquerung auf Fehmarn inzwischen weniger umstritten ist als auf dem Festland bis Lübeck. Verantwortlich für den Sinneswandel macht er die Entscheidung der Dänen, anstelle der zunächst favorisierten Brücke über den Belt mit allen ihren Risiken für Schiffe und Umwelt einen Tunnel zu bauen.

Die "Allianz gegen eine feste Fehmarnbelt-Querung", hinter der ein Dutzend Bürgerinitiativen stehen, will den Widerstand gegen das "Wahnsinnsprojekt" ausbauen. Ramsauer und Carstensen hätten auf Fehmarn politische Propaganda betrieben, schimpft Allianz-Sprecher Malte Siegert.

Anders als abgemacht habe der Regierungschef im Alleingang den Leiter des Dialogforums benannt. Die Allianz will Jessen nun auf den Zahn fühlen und erst danach entscheiden, ob sie sich am Dialog um die Querung beteiligt.

Ramsauer ist vorgewarnt, nach dem Besuch auf Fehmarn aber zuversichtlich. "Wie eine Höhle des Löwen kommt es mir hier nicht vor."