Landesregierung will Hafen schließen. Fischerei und Tourismus kämpfen um die Existenz

Friedrichskoog. Unübersehbar hängt der schwarze Sarg an der Einfahrt zum Hafenbecken in Friedrichskoog. "Hier ruht das Vertrauen zu Peter Harry. Friedrichskoog 13.6.2010", lautet die Inschrift. In der 2400-Einwohnergemeinde in Dithmarschen ist man auf den schleswig-holsteinischen Regierungschef gar nicht gut zu sprechen. "Vor drei Jahren sind wir vom Ministerpräsidenten noch aufgefordert worden, unseren Hafen attraktiver zu machen", sagt Bürgermeister Gerd Dethlefs, "und jetzt will das Land den Hafen schließen." Weil Schleswig-Holstein sparen muss, will es fünf seiner Landeshäfen abwickeln. Neben Friedrichskoog sind das Glückstadt, Tönning, Husum und Friedrichstadt.

Für Friedrichskoog scheint das Aus besiegelt. "Wir müssen uns bis 30. Juni 2012 verbindlich erklären, ob die Gemeinde den Hafen vom Land übernimmt. Wenn wir das nicht können, wird der Hafen im September 2012 geschlossen", sagt der Bürgermeister.

Für Rolf und Uwe Marscheider von Marscheider Maschinenbau ist der Hafen die Lebensader ihres Familienbetriebs, der im nächsten Jahr 50. Jubiläum feiern wird. Über eine Slipanlage ziehen sie 60 bis 70 Schiffe pro Jahr an Land, um sie in ihrer Werft zu reparieren. "Am Dienstag haben wir die Kündigung für die Slipanlage zum Jahresende 2011 bekommen", sagt Uwe Marscheider und blickt fassungslos auf das Schreiben aus Kiel.

Die Landesregierung will das Sperrwerk, das erst 1986 fertiggestellt wurde, durch ein Schöpfwerk ersetzen. "Wir brauchen aber das Sperrwerk zur Be- und Entwässerung unserer Felder", sagt der Landwirt Peter Borwieck, der Weizen und Kohl anbaut. "Kiel gräbt uns das Wasser ab." Mit einem Umbau des Sperrwerks zum Schöpfwerk wäre das sturmflutsichere Hafenbecken endgültig von der Nordsee abgeschnitten. "Dann können nicht einmal mehr die Sportboote in den Hafen", sagt Uwe Marscheider, "hier liegen noch 40 Sportboote, die können sich die Leute dann in ihren Garten stellen."

24 Krabbenfischer des Fischervereins Friedrichskoog haben hier noch ihren Heimathafen, obwohl die meisten inzwischen Büsum anlaufen. "Wir haben nach wie vor die größte Flotte der Westküste", sagt der Vereinsvorsitzende Dieter Voss, "aber man lässt sie sehenden Auges nach Büsum abwandern, weil unser Hafen immer mehr versandet. Die Fahrrinne wird nicht ausreichend ausgebaggert."

Für Bürgermeister Dethlefs und seine Mitstreiter von der Bürgerinitiative hängt am Hafen aber noch viel mehr als die Krabbenfischerei. Sie sprechen von 180 Arbeitsplätzen, die gefährdet sind. Ein wichtiger Wirtschaftszweig ist der Tourismus. "Wir haben 3500 Gästebetten mit knapp 300 000 Übernachtungen pro Jahr", sagt Dethlefs. Und die Touristen erwarteten an der Küste das maritime Erlebnis. "Für die Gäste ist der Reiz weg, wenn der Hafen weg ist", fürchtet Alice Ritters-Stührk vom Fischhaus Stührk.

Der Seehundstation, die seit 25 Jahren wichtiger Anziehungspunkt für die Urlauber in der Region ist, würde mit der Hafenschließung die Wasserversorgung zugedreht. "Wir brauchen Salzwasser für unsere Tiere", sagt Stationsleiterin Tanja Rosenberger.

Um den Hafen in Eigenregie zu übernehmen, müsste Friedrichskoog viel Geld aufbringen. "Wir wissen nicht, zu welchen Bedingungen Kiel den Hafen übergeben würde, ob sie uns den schenken oder verkaufen wollen. Den Bagger würden wir vom Land geschenkt bekommen, aber wie viel das Baggern kostet, können wir nicht sagen."

Finanzieren will Friedrichskoog den Hafen unter anderem mit einem neuen Windpark. "Wir möchten fünf oder sechs Windmühlen aufstellen", sagt Bürgermeister Dethlefs. Weil die Ausweisung der geplanten Fläche als Windpark aber am Naturschutz gescheitert sei, "müssen wir jetzt eine neue Fläche suchen".

Fest steht, dass zum ersten Mal seit 78 Jahren die traditionelle Kutterregatta im Juli nicht stattfinden wird.