Schleswig-Holsteins Finanzminister fordert ein radikal vereinfachtes Steuersystem - und unterstützt Verkehrsminister Ramsauer.

Kiel. Im Streit um eine Autobahngebühr für Pkw bekommt Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) Unterstützung vom schleswig-holsteinischen Finanzminister Rainer Wiegard (CDU). "Ich halte es für völlig normal, dass der Bundesverkehrsminister diese Frage durchrechnen lässt", sagte er in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt.

Wiegard kritisierte zugleich die Steuerpolitik der schwarz-gelben Koalition in Berlin. Es fehle an einer "steuerpolitischen Perspektive", sagte er. "Es muss aufhören, dass Montag der eine Politiker sagt: 'Wir wollen Steuersenkungen' und Dienstag der Bundesfinanzminister sagt: 'Wir haben aber kein Geld'. Dann ist 14 Tage Ruhe, dann geht es wieder von vorn los." Dieses "Spiel" laufe jetzt schon geraume Zeit. "Alle gucken auf die Uhr und fragen, wann die nächste Wahl ist und was wir bis dahin noch mal schnell machen müssen", so Wiegard. "Von dieser kurzfristigen Denke müssen wir wegkommen."

Wiegard sieht in der Pkw-Maut einen denkbaren Baustein einer umfassenden Steuervereinfachung. Der Finanzminister hat schon vor längerer Zeit vorgeschlagen, die Kfz-Steuer abzuschaffen und stattdessen die Mineralölsteuer zu erhöhen - oder eben eine Maut einzuführen. "Dass es in Deutschland nicht mehr möglich ist, politische Lösungen allseits bekannter Probleme zu erarbeiten und zu diskutieren, erschreckt mich", sagte er mit Blick auf das Echo, das Ramsauer mit seinen Überlegungen hervorgerufen hat.

Die steuerpolitische Perspektive, die er vermisst, kann laut Wiegard nur in einer Gesamtkonzeption liegen. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin habe sich zwar nach der Bundestagswahl darauf geeinigt, die Gewerbesteuer zu reformieren. Wiegards Rat war damals aber ein anderer. "Ich habe gesagt: Wir sollten uns die Mehrwertsteuer vornehmen." Er fühlt sich nun in seiner Einschätzung bestätigt. Die Kommunen zeigen wenig Neigung, auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuer zu verzichten. Wiegard: "Jetzt haben wir den Salat. Bei der Gewerbesteuer kommen wir nicht richtig weiter."

Der Finanzminister wirbt deshalb für die Abschaffung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze, für einen nur noch vier- oder fünfstufigen Einkommenssteuertarif und eben für die Abschaffung der Kfz-Steuer. Dies alles würde aus seiner Sicht nicht nur zur Steuergerechtigkeit beitragen, sondern auch die Finanzverwaltung erheblich entlasten. Wiegard plädiert dafür, dem einfachen Steuerbürger zunächst einmal Vertrauen zu schenken und dort von aufwendigen Kontrollen einzelner Belege abzusehen. Stattdessen sollten sich die Mitarbeiter intensiv um diejenigen kümmern, die große Summen am Fiskus vorbeischmuggeln wollen.

Ob der Minister die Berliner Koalition von seinem Konzept überzeugen kann, ist noch nicht abzusehen. Dem Abendblatt sagte Wiegard: "Es ist ein sehr mühseliges Geschäft." Die von der FDP durchgesetzte Mehrwertsteuerermäßigung für Hoteliers lehnt er selbstverständlich ab - er will ja gerade solche Ausnahmeregelungen abschaffen. Dennoch habe ihm die Debatte darüber geholfen, findet der Minister. "Das hat bei den Bürgern so viel ausgelöst, dass man das Problem jetzt angehen muss. Das lässt sich nicht mehr unter der Decke halten."

Dieser FDP-Alleingang ist für Rainer Wiegard offenbar Ansporn, sein Mehrwertsteuerkonzept weiter zu verfolgen. Seit 2005 ist er Finanzminister in Kiel. Die Krise der HSH Nordbank hat er überstanden, und er hat durchgesetzt, dass Schleswig-Holstein ab 2020 keine neuen Schulden mehr macht. Dass das nicht verwässert wird, ist ihm wichtig. Wird er bei der Wahl in gut einem Jahr erneut für den Landtag kandidieren? "Die schwarz-gelbe Koalition in Kiel hat eine Menge auf den Weg gebracht", sagt er. "Wir sollten ganz offensiv für eine Fortsetzung werben." Dann der entscheidende Satz: "Und das würde mir auch Spaß machen, das kann ich nicht leugnen."