Der Staatsanwaltschaft liegt eine Anzeige gegen den Schulleiter und den Vater einer Schülerin vor. Es geht um den Tatbestand der Körperveletzung.

Ratekau/Kiel/Lübeck. Die umstrittene Kaninchenschlachtung an einer Schule in Ratekau beschäftigt jetzt auch die Justiz. Der Staatsanwaltschaft Lübeck liegt eine Anzeige gegen den Schulleiter und den Vater einer Schülerin vor, sagte ein Sprecher der Behörde am Freitag. Es gehe um den Tatbestand der Körperverletzung und des Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz. An der ostholsteinischen Schule war im Rahmen einer Projektwoche vor den Augen von zehn- und elfjährigen Kindern ein Kaninchen geschlachtet und gebraten worden. Auch der Bund gegen den Missbrauch von Tieren (bmt) erwägt nach eigenen Angaben rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen.

Die Schlachtaktion auf einem Schulhof in Ratekau bei Lübeck sorgt bundesweit für Entrüstung. Vor den Augen von mehr als 50 Kindern schnitt ein geschulter Sozialpädagoge einem betäubten Kaninchen im Rahmen einer Projektwoche zum Thema Steinzeit die Kehle durch.

Einige der Schüler, zehn und elf Jahre alt, weinten. Ein Junge kippte um. Mit der Aktion sollte den Kindern klargemacht werden, dass Fleisch nicht an Bäumen wächst, sondern getötete Tiere auf den Teller kommen.

"Das hätte nicht passieren dürfen", sagte der Leiter der Cesar-Klein-Gemeinschaftsschule in Ratekau, Georg Krauß, dem Abendblatt. Er sei über die Schlachtung nicht informiert gewesen, habe schon ein ernstes Wort mit den Organisatoren der Projektwoche gesprochen. "Sie haben eingesehen, dass man eine Schlachtung so nicht machen kann." Krauß legte zugleich Wert darauf, dass die Aktion gut gemeint gewesen sei und die Schüler durch die Lehrkräfte vorher erfahren hätten, was sie erwarte.

Die Schlachtidee kam demnach vom Vater einer Fünftklässlerin. Der Landwirt und Sozialpädagoge, der in einem nahen Dorf lebt, bot sich an, ein Kaninchen fachmännisch zu töten. Unter den gut 100 Fünftklässlern wurde die Aktion heftig diskutiert. Etwa 30 Kinder forderten in einem Protestbrief, dass der "Hase" leben bleiben solle. "Die Petition wurde von den Lehrern abgelehnt", berichtete Krauß. Sie hätten den Kindern aber freigestellt, ob sie bei der Schlachtung zusehen möchten oder lieber nicht.

Die Hälfte der Schüler ging, die andere blieb, durfte das Kaninchen streicheln. Der Sozialpädagoge mit Schlacht-Erfahrung betäubte das Tier dann mit einem kräftigen Hammerschlag und griff zum Messer. Nach dem tödlichen Kehlschnitt nahm er das Kaninchen aus, zog ihm das Fell ab und hängte es an den Beinen zum Ausbluten auf. "Einige Schüler haben das nicht so verkraftet", sagte Krauß. Die Lehrer hätten sich aber sofort um die Kinder gekümmert, dem Jungen, der wohl in Ohnmacht gefallen sei, auf die Beine geholfen.

Den pädagogischen Ansatz hinter der Aktion hält Krauß für richtig. Viele Kinder wüssten heute nicht mehr, dass man Tiere töten müsse, um Fleisch verzehren zu können. "Den Lehrern ging es um die Wertschätzung des Essens." Dieses Lernziel, räumte der Schulleiter ein, hätte man aber auch anders erreichen können. "Kinder haben eine besondere Bindung zu Kaninchen." Das sei nicht beachtet worden. "Vielleicht hätten die Kollegen lieber angeln gehen und Fische fangen sollen."

In einem Punkt fühlt Krauß sich allerdings bestätigt. Vor einer Woche, am Tag nach der Schlachtung, wurde das Kaninchen auf dem Schulhof gegrillt und zusammen mit anderen für die Steinzeit üblichen Nahrungsmitteln von Schülern und Eltern verspeist. Dabei habe es neben Lob für die Aktion auch erste Kritik von Eltern gegeben.

Eine Mutter legte in den Folgetagen nach, berichtete von Essstörungen ihres Kindes und rief damit auch das Kieler Schulministerium auf den Plan. Die Aktion sei "pädagogisch höchst problematisch", sagte Ministeriumssprecher Thomas Schunck. Darauf habe das Ministerium den Schulleiter in einem dienstlichen Gespräch hingewiesen.

Die Wutwelle schwoll derweil an. Tierschützer protestierten in Internetforen gegen die Schlachtaktion.

Der Kinderschutzbund erinnerte daran, dass Kinder mit Kaninchen meist schmusen. "Sie sind Streicheltiere und keine Schlachtopfer", sagte Landeschefin Irene Johns.

Die bildungspolitische Sprecherin der CDU im Kieler Landtag, Heike Franzen, schlug einen Bogen zur Bundeswehr. Zur Ausbildung von Einzelkämpfern gehöre es, bei einer Kaninchenschlachtung zuzusehen. "Dabei handelt es sich aber um Männer und Frauen." Allein das zeige, wie ungeeignet die Aktion in Ratekau gewesen sei.

Die SPD schlug in dieselbe Kerbe. Die pädagogische Umsetzung des Lernziels sei misslungen, sagte der Schulexperte der Landtagsfraktion, Henning Höppner. Industrielle Tierhaltung und Massenschlachtungen sollten zwar im Unterricht thematisiert werden, aber bevorzugt bei älteren Schülern und dann etwa mit Filmen. "Ein solcher Vorgang darf sich keinesfalls wiederholen", sagte Höppner.

Vor zwei Jahren hatte eine vergleichbare Aktion Entrüstung ausgelöst. Die Starköchin Sarah Wiener ließ von professionellen Züchtern Kaninchen vor den Augen von Schülern schlachten. Die Kinder, 12 bis 14 Jahre alt, durften die Tiere vorher streicheln und einen Tag nach dem blutigen Kehlschnitt im Rahmen einer Koch-Show im TV-Sender Arte zubereiten. Der Tod der kuscheligen Haustiere schlug damals hohe Wellen und wurde von Wiener auch pädagogisch begründet. Demnach steigerte die Aktion bei den Kindern den Respekt vor Lebensmitteln.