Stelle des Generalstaatsanwalts soll bald besetzt werden. Favorit ist Müller-Gabriel

Schleswig/Kiel. Bei der Suche nach einem Generalstaatsanwalt für Schleswig-Holstein zeichnet sich im zweiten Anlauf eine überraschende Lösung ab. Nach Informationen des Hamburger Abendblatts haben sich neun Kandidaten um den Top-Job in Schleswig beworben, darunter der jetzige Stellvertreter Wolfgang Müller-Gabriel, 63. Er gilt im Kieler Landeshaus als heißer Favorit, zumal er Justizminister Emil Schmalfuß (parteilos) aus einer Zwickmühle helfen würde.

"Wir wollen die Stelle noch vor dem Sommer besetzen", sagte der Sprecher des schleswig-holsteinischen Justizministeriums, Oliver Breuer. Der Posten des "Generals", der den 197 Staatsanwälten im Norden vorsteht, ist seit September verwaist, weil Schmalfuß mit der ersten Auswahlrunde scheiterte. Seine Entscheidung, den Hildesheimer Oberstaatsanwalt Thomas Pfleiderer, 60, zum Chefankläger zu machen, löste vor knapp einem Jahr einen Proteststurm in der schleswig-holsteinischen Landesjustiz aus - unter anderem, weil Pfleiderer ein Niedersachse ist - und wurde im Herbst vom Verwaltungsgericht Schleswig wegen schwerer Mängel im Auswahlverfahren aufgehoben.

Bei der Neuauflage sah es zunächst so aus, als ob sich der erbitterte Streit um den Generalsposten wiederholt. "Ich habe mich erneut beworben", sagte Pfleiderer dem Abendblatt. Auch seine drei ärgsten Konkurrenten warfen ihren Hut wieder in den Ring, der Leitende Oberstaatsanwalt (LOStA) der Itzehoer Anklagebehörde, Wolfgang Zepter, 57, der Kieler LOStA Peter Schwab, 62, und der Flensburger LOStA Rüdiger Meienburg, 61. Er hatte im Herbst mit seiner Konkurrentenklage den Streit auf die Spitze getrieben und Pfleiderer zu Fall gebracht. Die Opposition im Landtag rieb sich angesichts dieser Lage bereits die Hände, weil Schmalfuß scheinbar in der Patsche saß. Sein Dilemma: Eine erneute Berufung von Pfleiderer wäre kaum durchsetzbar, weil sie erneut Proteste auslösen und absehbar Klagen provozieren würde. Noch schlimmer wäre die Alternative für Schmalfuß: Mit einem Votum für einen der drei LOStAs aus Schleswig-Holstein würde er einräumen, dass er im ersten Auswahlverfahren eine Fehlentscheidung getroffen hätte. Im Ministerium hätten wohl die Sektkorken geknallt, als die Bewerbung von Müller-Gabriel dort einging, hieß es in Justizkreisen. Müller-Gabriel sei eine "Instanz" in Schleswig-Holstein, ein gestandener Jurist, der als "unverbrannter" Kandidat sowohl Pfleiderer als auch den drei LOStAs mindestens ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen sei.

Fakt ist, dass Müller-Gabriel die Anklagebehörden im Land länger und besser kennt als fast jeder andere Staatsanwalt. Der Top-Jurist arbeitet seit 20 Jahren in der Spitze der Schleswiger Generalstaatsanwaltschaft, ist seit mehr als zehn Jahren "ständiger Vertreter" des Generals. Einziges Manko: Müller-Gabriel feiert im Herbst bereits seinen 64. Geburtstag, wäre als General also eine Übergangslösung. Er müsste regulär mit 65 in Pension, könnte aber eine Verlängerung seines Dienstes bis 68 beantragen.

Schmalfuß dürfte das egal sein. Der parteilose Minister, der auf FDP-Ticket ins Kabinett kam und bei der Personalpolitik kein glückliches Händchen hat, dürfte nach der Landtagswahl in gut einem Jahr ohnehin ausscheiden.

Spannend bleibt, ob die schwarz-gelbe Koalition Sperrfeuer gegen Müller-Gabriel schießt. Sie hatte lange zu Pfleiderer gehalten, der auch wegen seiner FDP-Mitgliedschaft unter Beschuss stand. Bei Müller-Gabriel könnte es ein anderes Problem geben. Der Top-Jurist ist im Gegensatz zu Pfleiderer politisch zwar nicht aktiv, aber Mitglied der SPD.